Biathlon: Wie Vanessa Voigt und Franziska Preuß mentale Probleme zusetzten und was sie daraus lernten
Dem Podestplatz beim Weltcup-Auftakt in Kontiolahti/FIN ging für Vanessa Voigt ein harter Sommer voraus. Sie nahm sich aus mentalen Gründen eine Auszeit - und zeigte damit wie Teamkollegin Franziska Preuß, was noch wichtiger als der Sport ist.
Am Samstag sah man Vanessa Voigt wieder lächeln, als sie sich mit Teamkollege Justus Strelow über Platz drei in der Single-Mixed-Staffel beim Biathlon-Weltcup-Auftakt in Kontiolahti/FIN freute.
Im Sommer war ihre Stimmungslage über einen längeren Zeitraum eine andere.
Auf Instagram gestand sie Ende Juli, sie habe einen „mental breakdown“ gehabt, wobei sie hinzufügte: „ich nenne es Anlass zum Selbstschutz.“
An Training war über mehrere Wochen lang für Voigt nicht zu denken.
"Es gab Tage, an denen ich im Bett lag und nicht aufstehen konnte. Mein Körper fühlte sich so erschöpft an, als hätte ich fünf Tage extremes Krafttraining hinter mir", sagte die 27-Jährige der „Thüringer Allgemeinen“.
Voigt hatte sich in den vorangegangen Wintern im Höchsttempo in die Biathlon-Weltspitze gearbeitet.
Nach dem Gewinn des drittklassigen Deutschlandpokals 2020 folgte der Gesamtsieg im IBU-Cup 2021 und nur ein Jahr später das Olympia-Debüt bei den Olympischen Spielen Beijing 2022, wo sie im Einzel nur um 1,4 Sekunden eine Medaille verpasste.
Voigt legte einen Weg nach oben hin, für den viele andere Biathletinnen doppelt so lange brauchen.
Und sie machte in diesem Stil weiter, war in der vergangenen Saison die beste deutsche Athletin mit konstanten Spitzenplatzierungen und Rang acht im Gesamt-Weltcup.
Doch in diesem Sommer forderte der Marsch an die Spitze im Rekordtempo offenbar seinen Tribut. Nichts ging mehr. Im Training erreichte sie plötzlich nicht einmal 50 Prozent ihres Leistungsniveaus, Voigt zog die Reißleine.
Und bewies damit, dass sie sich nicht nur als Sportlerin, sondern auch als Mensch weiterentwickelt hat.
Voigt kümmert sich um Person Vanessa
„Als Sportler hetzt man von Ziel zu Ziel. 2020 kämpfte ich mich von einer Schulter-OP zurück und hatte keine Zeit zum durchatmen, denn die Ziele waren alle datiert“, blickte sie zurück.
Vor vier Jahren nahm sie sich keine Zeit. Beijing 2022 war damals in ihrem Hinterkopf, dort wollte sie unbedingt hin – was ihr letztlich auch gelang.
In diesem Sommer reagierte sie anders: „Vor ungefähr 1 1/2 Monaten habe ich mir genau diese Zeit genommen. Ja, es war verdammt hart zu akzeptieren, die Energie für meine Leidenschaft nicht aufwenden zu können. Und ja, im ersten Moment hat es sich falsch angefüllt. Doch jetzt im Nachhinein kann ich sagen: Ich bin dankbar für diese Zeit. Denn Sie hat mir meinen Sport wieder nähergebracht.“
In ihrer persönlichen Auszeit beschäftigte sich Voigt mit Dingen, die nichts mit Sport zu tun haben: Malen, Stricken, Wohnung aufräumen.
„Im Winter vor dem Fernseher seht ihr die Athletin Vanessa, welche mal Erfolge feiert, aber auch Niederlagen einstecken muss. Doch was viele nicht sehen, ist die Person Vanessa. Ein Mensch, welcher jedes Mal das Salz beim Kochen vergisst, den Kleiderschrank nach Farben sortiert oder in ein Nutella-Glas lieber mit dem Löffel als dem Messer geht. Und genau dieser Person ging es nicht gut.“
Preuß zieht 2023 die Reißleine
Auch Teamkollegin Franziska Preuß hat mit mental schwierigen Phasen schon ihre Erfahrung gemacht. Regelmäßig wurde die 30-Jährige in den vergangenen Jahren von Infekten ausgebremst.
Das zehrt irgendwann auch an der Psyche. Bereits 2017 musste sie die Saison wegen gesundheitlicher Probleme beenden, kam aber im folgenden Jahr rechtzeitig für die Olympischen Spielen Pyeongchang 2018 in Form und verpasste dort als Vierte im Einzel nur knapp eine Medaille.
Einen noch größeren Kampf legte sie für die Olympischen Spiele Beijing 2022 hin. Nach Krankheiten und Verletzungen schaffte es Preuß auf den letzten Drücker zu den Spielen und gewann mit der Deutschen Staffel die Bronzemedaille.
Den Preis dafür musste sie in der folgen Saison zahlen, sie kam nicht mehr auf Betriebstemperatur und stieg im Januar 2023 vorzeitig aus.
„Ich war nicht mehr bereit für den Sport", gab sie später bei „Biathlonworld“ zu.
Auch Preuß hat wie Voigt inzwischen gelernt, wie wichtig es ist, auch seine mentale Gesundheit zu schützen: "Es war einfach nur nett, sich selbst gegenüber zugeben zu können, dass es okay ist, sich müde und ohne Energie zu fühlen."