Segeln: Adrenalinjunkie Lara Vadlau vertraut bei Paris 2024 ihrem Bauchgefühl
Die Olympionikin Lara Vadlau aus Österreich kehrte nach einer fünfjährigen Pause zum professionellen Segelsport zurück, um sich nach ihrem abgeschlossenen Medizinstudium doch noch ihren Traum von einer olympischen Medaille bei Paris 2024 zu erfüllen.
„Eigentlich war es ein Prozess, bei dem quasi dieses Feuer nur leicht geflackert hat, dann immer mehr und zum Schluss war es eher ein Waldbrand“, sagte Vadlau zu Olympics.com über ihre Entscheidung, mit ihrem neuen Segelpartner Lukas Mähr einen neuen Anlauf bei Paris 2024 zu wagen.
Seit 2,5 Jahren trainieren die langjährigen Freunde für die neue 470er-Mixed-Disziplin bei Paris 2024 zusammen. Steuerfrau Vadlau und Vorschoter Mähr haben sich bei den Segel-Weltmeisterschaften 2023 zwei Quotenplätze für Österreich gesichert und sind damit ihrem Ziel einen Schritt nähergekommen.
Vadlau bringt das Gefühl für das Wasser und ihre Olympia-Erfahrungen mit – sie gewann Gold bei den Olympischen Jugendspielen 2010 in Singapur, belegte Platz 20 in London 2012 und Platz 9 in Rio 2016. Mähr hingegen glänzt durch seine technische und analytische Expertise - ein konträres Team, das sich wunderbar ergänzt.
„Segeln ist ein unfassbar toller Sport, sehr facettenreich und wir müssen sehr, sehr fit und auch im Kopf sein, weil es so taktisch entscheidend ist. Natürlich ist es super anstrengend, je fitter man ist, desto mehr Sauerstoff bleibt einfach für die Gehirnarbeit über“, sagte Vadlau.
In ihrer Heimat Österreich nutzt Vadlau die Zeit, um die Berge mit dem Rad zu erkunden – ideal für ihre Fitness und geistige Klarheit.
Die olympischen Segelwettbewerbe von Paris 2024 werden in Marseille ausgetragen, die Stadt und der Hafen sind für das Duo wie ein zweites Zuhause geworden.
„Wir trainieren in Marseille oft 10 bis 14 Tage, weil dort die Spiele sind, und sind dann fünf bis sechs Tage zu Hause“, sagte Vadlau über ihr Leben zwischen ihrer Heimat in Österreich, ihrer Wohnung in München und Frankreich.
Bei diesem durchgetakteten Trainings- und Reiseprogramm bleibt nicht viel Zeit für andere Dinge, besonders wenn Lara Vadlaus Partnerin, die deutsche Nationalfußballerin Lea Schüller einen ebenso vollen Terminkalender hat.
Doch Paris 2024 könnte ihnen die Gelegenheit bieten, ihre möglichen olympischen Siege gemeinsam zu feiern. Die ersten beiden Deutschlandspiele der Frauen (27. Juli gegen Australien, 28. Juli gegen USA) finden wie die Segelwettbewerbe (ab dem 27. Juli) in Marseille statt.
Lara Vadlau ist bei ihren Freunden aufgrund ihrer Passion für abenteuerliche Sportarten als „Adrenalinjunkie“ bekannt. Gleichzeitig schätzt sie die Ruhe, um auf ihr Bauchgefühl zu hören. Erfahren Sie, was sie als erfahrene Olympionikin jungen Athletinnen und Athleten raten würde und wie sie Herzensentscheidungen trifft.
Kein Ziel zu groß für Dr. med. univ Lara Vadlau
Motocross, Snowboarden und Segeln – auf den ersten Blick scheinen diese Leidenschaften vielleicht nicht zueinanderzupassen, doch für Lara Vadlau sind diese Sportarten ihr perfekter Ausgleich.
„Es ist so traurig, dass die meisten Menschen, wenn sie ans Segeln denken, an etwas Langweiliges denken. Dabei ist es überhaupt nicht langweilig. Und wahrscheinlich fasziniert mich das so daran“, sagt Vadlau.
Mit ihren beiden Olympia-Teilnahmen (London 2012 und Rio 2016) hat sie bereits einige Erfahrungen gesammelt und würde den jüngeren Athletinnen und Athleten raten: „Immer dranbleiben, immer daran weiterarbeiten, die Früchte wird man irgendwann ernten können. Man muss immer an sich glauben und vor allem auch seinem Gefühl zu vertrauen. Wenn man glaubt, der Weg fühlt sich jetzt nicht ganz richtig an, muss wirklich die Zügel in die Hand nehmen und etwas verändern.“
Vadlau spricht aus Erfahrung. Nach dem 9. Platz in Rio 2016 und der erneut verpassten Medaillenchance war ihr klar, dass sie ihr Leben verändern musste.
„Für mich war es wichtig, ein zweites Standbein zu haben, eine gute Ausbildung zu bekommen. Also entschied ich mich, Medizin zu studieren. Das wollte ich eigentlich schon immer, seitdem ich sprechen kann.“
Wie in ihrer Sportkarriere hielt sie sich an ihren Plan und schloss das Medizinstudium in der Regelzeit ab. Heute darf sie sich Dr. med. univ. Lara Vadlau nennen.
„Dann war der Sport eigentlich für mich abgehakt. Aber dann habe ich die Spiele in Tokio verfolgt, da kommt man gar nicht drumherum. Es wurde mir quasi auf die Nase gebunden. Da habe ich einfach gemerkt, okay, da ist doch noch ein Feuer in mir und es ist noch nicht ganz abgeschlossen. Ich gehe es noch mal an!“
Für diese Entscheidung vertraute sie besonders auf ihr Bauchgefühl, ein Thema, mit dem sie sich auch in ihrem Studium intensiv beschäftigt hat.
„Es gibt so viel Forschungsarbeit zu diesem Bereich und ich habe ich mich ein bisschen eingelesen. Es ist sehr interessant, dass dieses Bauchgefühl nicht nur ein Gefühl ist, sondern, dass es von ganz, ganz vielen wissenschaftlichen Erkenntnissen untermauert wird.“
„Es hat mich quasi noch mehr unterstützt darin, auf mein Bauchgefühl zu hören und dem wirklich nachzugehen.“
Für schwierige Entscheidungen empfiehlt Vadlau, eine Münze zu werfen. Dabei spielt weniger eine Rolle, welche Seite oben landet, sondern das Gefühl das man spürt.
„Man fühlt es sofort, sobald das Ergebnis da ist, ob man entweder enttäuscht ist oder sich ein bisschen freut, dann spätestens dann hat man die Entscheidung“, sagte Vadlau.
Ein gegensätzliches Team erobert Marseille
Mähr (1,84 m) und Vadlau (1, 65 m) unterscheidet nicht nur ihr Körpergröße, sondern auch ihre Lebens- und Denkweise.
„Ich glaube, das Gute an uns ist, dass wir komplett konträr sind, schon allein, wie lange wir schlafen können. Ich kann überhaupt nicht lange schlafen, er ganz lange. Luki liebt es, am Boot zu arbeiten und unser Boot ist sehr technisch. Ich bin nicht sehr technisch begabt“, sagte Vadlau über die Vorteile des österreichischen Mixed-Duos.
„Der Luki ist ein sehr logischer Mensch. Er ist sehr analytisch. Ich bin komplettes Gegenteil, ich bin sehr intuitiv, höre sehr gerne auf mein Bauchgefühl.“
Mit vereinten Kräften wollen sie sich die lang ersehnte olympische Medaille in Marseille holen.
„Wir sind eigentlich schon seit zwei Jahren vor Ort und verbringen so viel Zeit wie möglich dort, damit die Franzosen nicht einen zu großen Vorteil haben. Das ist beim Segeln sehr wichtig.“
Die Wellen und der Wind vor dem Hafen von Marseille können sich jeden Tag ändern und das Duo will auf alle Bedingungen vorbereitet sein.
„Es gibt 4 bis 5 verschiedene Kurse in dieser Bucht, und jeder Kurs hat seine Tücken. An dem einen Kurs gibt es mehr Wellen, an dem anderen höhere Welle und an einem wieder anderen Kurs mehr Strömung.“
Die Bedingungen an den Tagen der olympischen Segelveranstaltungen sind für die Athletinnen und Athleten unvorhersehbar, sodass sie trainieren, sich und ihr Boot schnell daraufhin anpassen zu können.
„Es muss wirklich alles passen und man kann es nicht erzwingen“, sagte Vadlau über Paris 2024.
Für ihre Partnerin Lea Schüller haben die Fußballweltmeisterschaften der Frauen einen ähnlich hohen Stellenwert wie die Olympischen Spiele.
Die Stürmerin des FC Bayern München sagte Lara deshalb, dass sie mit zwei 470er-Weltmeistertiteln (2014 und 2015) bereits einen unglaublichen Erfolg erzielt hat.
„Diese Sichtweise, quasi mal von außen zu hören, war ganz cool und hat mir auch ein bisschen den Druck genommen“, sagte Vadlau über den Rat von ihrer Partnerin.
Neben Lea Schüller in derselben Stadt wird Lara Vadlau eine weitere emotionale Stütze vor Ort haben: „Meine Eltern sind eigentlich immer bei Großereignissen dabei. Es ist ganz cool, die Unterstützung von zu Hause zu haben. Ich habe sie quasi in meinem Koffer für Paris 2024 mit dabei.“