Die 21-jährige Elena Sandera stammt aus Zürich, aber mittlerweile nennt sie ihren Van "Molly" ihr Zuhause und reist damit durch ganz Europa zu den besten iQFOil-Windsurf-Spots.
Bei der Last Chance Regatta am 25. April in Hyères, Frankreich, nutzte sie die letzte Gelegenheit, um für die Schweiz einen Quotenplatz im iQFOil der Frauen für Paris 2024 zu sichern.
Der 22. Platzes reichte aus, um als "Developing Nation" einen Startplatz sich erzielen, da die Schweiz in dieser Klasse bei den letzten beiden Spielen nicht vertreten war. Jetzt muss nur noch die NOK der Schweiz Elena Sandera als Vertreterin auswählen, damit es für sie in diesem Sommer zu den olympischen Wettkämpfen nach Marseille geht.
Wer die Medizinstudentin heute beim iQFOiL-Windsurfen beobachtet, kann sich kaum vorstellen, dass sie vor knapp drei Jahren zum ersten Mal auf dem Board stand. In einem exklusiven Gespräch erzählte Elena Olympics.com, wie iQFOiL-Windsurfen ihr Leben veränderte.
Ihre Leidenschaft für das Wasser begann früh, als sie jeden Sommer mit ihrer Familie zum Gardasee fuhr, da auch ihr Vater ein begeisterter Windsurfer ist. Doch der Sommer 2020, zwischen ihrem abgeschlossenen Abitur und dem Beginn des Medizinstudiums, stellte ihr Leben auf den Kopf, als sie das iQFOiL-Windsurfen entdeckte.
Beim Anblick der italienischen Windsurfnationalmannschaft mit den iqFoils auf dem Wasser war sie sofort fasziniert. „Die waren ultra schnell auf dem Wasser, und es hat mich mega fasziniert“, erzählte Elena über den entscheidenden Moment in ihrer Sportlerkarriere.
Glücklicherweise hatte ihr Vater sich vor einiger Zeit auch ein iQFoil zugelegt. Elena probierte es selbst aus und war sofort von dem Sport begeistert.
„Ich bin viel damit umgefallen und hatte harte Stürze. Aber es gibt noch irgendwo ein Video von mir, wo ich vom Wasser komme und meinem Papa in die Kamera sage: 'Ich will zu den Olympischen Spielen 2024.'“
Erfahren Sie, warum der Tausch des Skalpells gegen das Leben im Van für Elena die beste Entscheidung ihres Lebens war.
*Da die Nationalen Olympischen Komitees die ausschließliche Zuständigkeit für die Vertretung ihrer jeweiligen Länder bei den Olympischen Spielen haben, hängt die Teilnahme der Athlet*innen an den Pariser Spielen davon ab, dass ihr NOK sie als Vertreterinnen ihrer Delegation für Paris 2024 auswählen.*
Mit Ehrgeiz und Mut Träume verwirklichen
Aufgrund der Corona-Pandemie 2020 und den daraus resultierenden Maßnahmen fanden die Kurse ihres Medizinstudiums nur online statt. Elena beschloss die Möglichkeit zu nutzen und ihren Olympia-Plan in Angriff zu nehmen. Sie kaufte sich einen eigenen iQFoil und einen Van, den sie später "Molly" nannte, und der ihr treuer Reisegefährtin werden sollte.
Sie hatte gehört, dass auf Teneriffa die besten Foiler trainierten und beschloss dort auf eigen Faust ihre iQFOil-Reise zu starten. „Ohne irgendwie (mit iQFOiL) windsurfen zu können, bin ich dort mit den Besten der Welt trainieren gegangen, irgendwie auch mega peinlich. Ich habe seitdem aber nie mehr damit aufgehört,“ sagte Elena.
Im ersten Studienjahr musste die Foilerin nur für die Prüfungen nach Zürich reisen und konnte sich auf auf das Training im Wasser konzentrieren .Im zweiten Jahr merkte sie, dass es gar nicht so einfach ist, Zeit und Kraft für beide wichtige Bereiche aufzubringen. Auf ihrem Lehrplan (2021) stand das Sezieren, wofür Anwesenheitspflicht herrschte. Elena musste sich daher zwischen Leichenhalle und Abenteuer auf dem Wasser entscheiden. Sie folgte ihrem Herzen und beschloss, eine Pause bei ihrem Medizinstudium einzulegen.
Einige Eltern wären von dieser Entscheidung vielleicht nicht ganz so begeistert gewesen, doch ihre Familie reagierte sehr entspannt und positiv darauf.
„Sie haben sich fast schon gefreut, sie dachten, glaube ich, 'unser Kind ist doch normal, und sie kann sich auch mal eine Auszeit nehmen'“, errinerte sich Elena, die bereits in ihrer Schulzeit sehr ehrgeizig gewesen war.
„Meine Eltern kennen mich. Ich bin keine Person, die etwas abbricht und nicht vollendet. Allerdings haben sie nicht gewusst, dass eine olympische Kampagne zehnmal härter und zehnmal krasser ist als ein Medizinstudium.“
Der Ehrgeiz treibt Elena an, doch gleichzeitig steht sie sich damit manchmal auch selbst im Weg.
„Ich finde es immer noch schwer, mich nicht zu vergleichen und zu denken, 'Hey, sie kann es, warum kann ich es nicht oder warum habe ich nicht dieses Rennen gewonnen?' Ich versuche dann, mit mir liebevoll zu sprechen, wie jetzt eine Freundin mit mir sprechen würde,“ sagte die Foilerin.
Ihr begonnenes Medizinstudium bringt ihr auch Vorteile bei diesem teilweise gefährlichen Sport. Vor einem Wettkampf stürzte sie im Wasser, während ihr großer Zeh noch in der Schaufel des Foilboards hing. Ein Trainer einer anderen Bootsklasse hatte ihren Unfall gesehen und brachte sie auf seinem Boot zum Ufer, während ihr iqFoil noch auf dem Wasser schwamm. Elena wurde ohnmächtig, und im Krankenhaus wurde ihr Zeh mit sieben Stichen wieder angenäht.
Sie übernahm die Nachsorge selbst und nahm, wie es ihre ehrgeizige Natur verlangte, trotz der Schmerzen einige Tage später am Wettkampf teil.
Elena hat sich an die Spitze gekämpft und will bei den Olympischen Spielen 2024 beweisen, dass sie nun selbst zu den besten Foilern der Welt gehört.
Ein treuer Reisebegleiter auf vier Rädern
Für Elena Sandera ist ihr Van Molly nicht nur ein fahrbarer Untersatz, sondern vielmehr ihr kleines Zuhause.
„Ich liebe das Van-Leben. Am liebsten schlafe ich im Van. Ich mag es so sehr, dass ich immer all mein Zeug dabei habe. Alles, was ich besitze, ist im Van. Ich lebe ziemlich minimalistisch,“ sagte die Windsurferin.
Da das iQFOiL-Equipment bereits viel Platz im Van einnimmt, bleibt nur noch Raum für das Notwendigste, wozu auch ihre geliebte Kaffeemaschine zählt.
„Wenn ich etwas Neues kaufe, geht etwas Altes wieder raus. Das ist so ein Kreislauf.“
Elena reist zu allen Trainings- und Wettkampforten mit ihrem Van. Im Sommer trainiert sie besonders in England mit dem britischen Nationalteam unter der Anleitung ihres Trainers Henry Bloodworth, der selbst von dort stammt. Der Hafen von Portland, wo 2012 die olympischen Segelwettkämpfe stattfanden, bietet dabei ausgezeichnete Trainingsbedingungen.
„Ich war mit dem Van wirklich schon überall in Europa. Dieses Jahr (2024) geht's auch nach Cadiz, Spanien, Mallorca und an den Gardasee. Ich war auch schon in Polen, England, Italien, Frankreich, Spanien und dann eben Lanzarote. Dahin geht es immer mit der Fähre, insgesamt circa 30 Stunden Fahrt“, erzählte Elena.
Die langen Fahrten können allein auch etwas langweilig werden, deshalb hört sie gerne Podcasts oder nutzt die Zeit, um mit Freunden und ihrer Familie zu telefonieren – etwas, was im durchgeplanten Alltag oft zu kurz kommt.
Wenn das Nationale Olympische Komitee der Schweiz Elena Sandera als Vertreterin im iQFOil auswählt, an den Olympischen Spielen Paris 2024 teilzunehmen, wird sie definitiv mit ihrem Van zu den Wettkämpfen in Marseille reisen.
„Mein Van ist für mich mein Zuhause. Es ist das Einzige, was sich nicht konstant in meinem Leben verändert.“