Klettern bei den Olympic Qualifier Series: Die wichtigsten Informationen

Olympic Qualifier Series

Eine kurze Übersicht über die Regeln, das Format und die notwendigen Fähigkeiten, um bei diesen spannenden Wettbewerben zu glänzen.

12 minVon Greg Presto für Olympics.com
Janja GARNBRET of Slovenia competes in the women's Lead semi-final during the IFSC World Cup in Wujiang (CHN).
(© Nakajima Kazushige/IFSC)

Klettern ist wie ein vertikales Rennen: Speed-Kletterinnen und -Kletterer sprinten mit Armen und Beinen die mit Griffen versehene Felswand hinauf und erklimmen in 5 Sekunden fast 15 Meter Höhe... schneller als viele Zuschauer diese Distanz laufen können.

Beim Lead und Bouldern - dem 400-Meter-Lauf des Kletterns - springen, ziehen und schwingen sich die Kletterinnen und Kletterer mit atemberaubenden Bewegungen in rasendem Tempo an fast unüberwindbaren Überhängen von bis zu 60 Grad hoch.

Seit der ersten Internationalen Klettermeisterschaft (International Sport Climbing Championship) im Jahr 1988 in Snowbird, Utah, sind die Kletterinnen und Kletterer immer schneller, stärker und geschickter geworden. Jetzt, beim zweiten Olympia-Auftritt dieser Sportart, werden zwei Wettbewerbe im Klettern ausgetragen: Speed-Klettern und Kombination. Die Wettkämpfe sind ähnlich wie ein Besuch in der örtlichen Kletterhalle... allerdings mit einem Schwierigkeitsgrad von 11.

Das olympische Klettern verbindet die Fähigkeit, Rätsel zu lösen, die Kraft des ganzen Körpers und schwindelerregende Höhen zu einer aufregenden und spannenden Kombination, die das Publikum in Paris 2024 und bei den Olympic Qualifier Series begeistern wird. Klettern wird dort neben Skateboarding, BMX-Freestyle und Breaking zu sehen sein.

Hier finden Sie alles, was Sie wissen sollten, um eine der neuesten olympischen Sportarten zu verstehen und zu genießen, mit dem Expertenwissen von Libor Hroza, einem tschechischen Kletterer, der über Climbing Escalade Canada die Speed-Kletterinnen und -Kletterer des Team Canada trainiert.

Was ist Klettern?

Beim Klettern erklimmen die Athletinnen und Athleten künstliche Felswände so schnell wie möglich. Die Wände sind mit Griffen versehen, d. h. mit unterschiedlich geformten Harzstücken, an denen sich die Kletterer mit den Händen festhalten, mit den Armen ziehen oder mit den Füßen stützen können, um die Wand hochzuklettern. Beim Klettern gibt es drei verschiedene Arten von Wettkämpfen:

Speed

Bei diesem Kletterwettkampf geht es darum, die Spitze einer 15m hohen Wand am schnellsten zu erreichen. Nach den Regeln des Internationalen Sportkletterverbands ist die Wand in einem Winkel von fünf Grad überhängend. Die Athletinnen und Athleten klettern an dieser Wand, während sie von oben mit einem Seil gesichert sind.

Die Wand hat zwei identische Einzelbahnen mit Griffen, die nebeneinander liegen, und zwei Kletterer bzw. Kletterinnen steigen gleichzeitig hinauf. Manchmal treten sie in einem K.o.-System an, bei dem der Sieger bzw. die Siegerin weiterkommt. In anderen Fällen geht es nur darum, die bestmögliche Zeit zu erzielen.

Die Griffe an der Kletterwand ändern sich nicht: Sie sind bei jedem Wettkampf dieselben. So können die Athletinnen und Athleten ihre Bewegungen immer wieder üben und mit unglaublicher Geschwindigkeit klettern. Beim Kletterweltcup 2023 in Seoul, Südkorea, schaffte es Veddriq Leonardo aus Indonesien als erster Mann, die Wand in weniger als fünf Sekunden zu erklimmen.

"Die erste Bewegung gibt einem viel Schwung, und den will man beim Aufstieg noch steigern", sagt Hroza. Und während der Schwung zunimmt, so Hroza, versuchen die Kletterinnen und Kletterer, etwas anderes zu unterdrücken - das Denken. Sie versuchen, in einen Flow-Zustand zu kommen, indem sie einfach die Bewegungen durchlaufen, die sie schon Hunderte von Malen geübt haben. "Man will nicht, dass sich das Gehirn auf halbem Weg einschaltet und sagt: 'Ich muss erst dies und dann das machen'. Du musst den Körper seine Arbeit machen lassen."

Um den Schwung aufzubauen, den man braucht, um die Wand hochzuklettern, kommt es laut Hroza vor allem auf den Start an. Wenn der Startschuss ertönt, springen die Kletterinnen und Kletterer mit einer Kombination aus einer explosiven Bewegung mit den Beinen und einem kräftigen Zug mit den Armen vom Boden hoch. Für Hroza ist es nämlich "der beste Griff auf der Wand". Von dort aus versuchen sie, den Schwung des anfänglichen Sprungs mit einem Kletterstil aufrechtzuerhalten, der laut Hroza zu etwa 60 Prozent aus Armkraft und zu 40 Prozent aus Beinkraft besteht. Das Ergebnis ist ein regelrechter vertikaler Sprint: der 100-Meter-Lauf der Kletterdisziplinen.

Lead

Beim Lead-Klettern müssen die Athletinnen und Athleten versuchen, innerhalb von sechs Minuten den letzten Griff der Wand zu erreichen. Die Wand kann zwar genauso hoch sein wie die Speed-Wand, ist aber viel schwieriger zu klettern als die Wand, die die Speed-Kletterinnen und Kletterer in fünf Sekunden überwinden. Die Lead-Wand und die Griffe sind bei jedem Wettbewerb anders, mit einer Vielzahl von schwer zu greifenden Griffen, großen Lücken und extremen Überhängen.

Nach den IFSC-Regeln darf die Wand bis zu 60 Grad geneigt sein und über dem Boden hängen. Der durchschnittliche Überhang beträgt acht bis neun Meter, was bedeutet, dass die Kletterinnen und Kletterer im Grunde kopfüber klettern.

Als ob das nicht schon Herausforderung genug wäre, haben sie nur eine begrenzte Zeit, um die Wand zu studieren, bevor sie sie besteigen. In den Halbfinal- und Finalrunden haben sie vor dem Klettern sechs Minuten Zeit, sich die Wand anzusehen. In dieser Zeit dürfen sie nur die unteren Griffe berühren und keine Fotos machen. Sie dürfen einige handschriftliche Notizen machen und ein Fernglas benutzen. Aber nach Ablauf der sechs Minuten sind sie isoliert - sie können die Wand nicht sehen oder die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Klettern beobachten.

Während sie isoliert sind, "prägen sie sich im Idealfall die gesamte Route ein und klettern sie im Kopf immer wieder durch. Man versucht, sich alle Züge zu merken und sich vorzustellen, was man tun will", sagt Hroza. "Und man macht es so oft, während man darauf wartet, dass man an der Reihe ist, dass es sich natürlich anfühlt, wenn man an der Wand ist."

Sobald sie jedoch an der Wand sind, sagt Hroza, bewegen sich Lead-Kletterinnen und-Kletterer wie im Speed-ohne zu viel nachzudenken. Sie verlassen sich auf ihre mentale Landkarte und tausende von Stunden Erfahrung beim Wechsel zwischen verschiedenen Griffen. Wenn man zu viel über ein Problem an der Wand nachdenken muss, verschwendet man sowohl Zeit als auch wertvolle Energie, sagt der kanadische Trainer.

Ein weiterer Grund, warum Kletterinnen und Kletterer beim Lead im Vergleich zum Speed Energie sparen, ist, dass sie in der Regel leichter sind. So wie ein Langstreckenlauf einen anderen Körperbau erfordert als ein Sprint, müssen die Athletinnen und Athleten im Lead in der Regel kleiner sein als beim schnelleren Speedklettern. Wenn man kopfüber hängt, kommt es auf jedes Gramm an.

Beim Lead-Klettern gewinnen diejenigen, die am weitesten die Wand hochklettern. Wer abstürzt, ist raus. Wenn mehrere Kletterer oder Kletterinnen den Top-Griff erreichen, gewinnt die beste Zeit.

Bouldern

Diese Kletterdisziplin findet an einer nur 4,5 Meter hohen Wand statt, so dass die Sportlerinnen und Sportler kein Sicherungsseil tragen müssen. Aber anders als beim Lead- und Speedklettern müssen sie die Boulderwand mehrmals durchklettern: Diese kürzere Wand ist mit vier bis fünf festgelegten Routen, auch "Boulderprobleme" genannt, ausgestattet.

In jeder Wettkampfrunde müssen die Kletterinnen und Kletterer versuchen, mehrere Routen in einer begrenzten Zeit - in der Regel fünf oder sechs Minuten - zu bewältigen. Sie können die Route in den fünf bis sechs Minuten so oft klettern, wie sie wollen, wobei sie zwischen den Boulderproblemen etwa die gleiche Anzahl an Pausen einlegen.

Wie beim Lead wechseln die Routen an den Boulderwänden bei jedem Wettbewerb, und die Kletterinnen und Kletterer haben kurz Zeit, um sich den Fels anzusehen, bevor sie in die Isolationszone müssen, während andere klettern.

Die Kletterinnen und Kletterer haben ein Boulderproblem "gelöst", wenn sie den Top-Griff der Route mit beiden Händen ergriffen und ihren Körper kontrolliert haben. Je weniger Versuche nötig sind, um eine Route zu bewältigen, desto höher ist die Wertung.

Athletinnen und Athleten, die sich im Bouldern auszeichnen, vereinen die körperlichen Eigenschaften und Stärken, die man im Lead und Speed findet, sagt Hroza: "Sie sind explosiv wie die Kletterinnen und Kletterer im Speed, haben aber auch die Ausdauer, die man im Lead braucht."

Seit wann ist Klettern eine olympische Sportart?

Klettern trat erstmals bei den Olympischen Spielen Tokio 2020 auf. Dieses Olympia-Debüt umfasste alle drei Disziplinen - Speed, Lead und Bouldern - in einem kombinierten Wettkampf, sowohl bei den Damen als auch bei den Herren. Bei den Herren holte der Spanier Alberto Gines Lopez Gold. Der Amerikaner Nathaniel Coleman und der Österreicher Jakob Schubert holten Silber und Bronze. Bei den Damen sicherte sich Janja Garnbret aus Slowenien Gold, Silber und Bronze gingen an die Japanerinnen Nonaka Miho und Noguchi Akiyo.

Für die Spiele in Paris wurden die Wettkämpfe geändert: Beim Speed-Klettern wird es einen eigenen Medaillensatz geben, mit Wettbewerben für Damen und Herren. Bouldern und Lead werden in der neu eingeführten Kombination zusammengeführt, wobei es auch Wettbewerbe für Damen und Herren geben wird.

Vor Paris wird das Klettern in allen drei Disziplinen bei den ersten Olympic Qualifier Series im Mai in Shanghai, Volksrepublik China, und im Juni in Budapest, Ungarn, ausgetragen.

Wie läuft ein Kletterwettbewerb ab?

Bei den Olympischen Spielen in Paris werden zwei Kletterwettbewerbe für jedes Geschlecht stattfinden: Speed und Kombination, ein Wettkampf, der sowohl aus Bouldern als auch aus Lead besteht. Insgesamt werden 68 Athletinnen und Athleten auf der olympischen Bühne antreten - jeweils 20 im Kombinationswettbewerb und 14 im Speed-Klettern.

Die beiden Wettbewerbe werden in der Pariser Sportkletteranlage Le Bourget ausgetragen werden.

Speed-Klettern in Paris 2024

28 Athletinnen und Athleten - 14 bei den Damen und 14 bei den Herren - werden im Speed-Klettern antreten. Bei den Spielen in Paris wird das Speed-Klettern in zwei Runden ausgetragen werden:

  • Qualifikation: In dieser Runde versuchen die Kletterinnen und Kletterer, die beiden Einzelrouten der Wand zu bewältigen. In diesen Runden kämpfen die Athletinnen und Athleten, die gleichzeitig klettern, nicht gegeneinander um den Sieg. Ihre Zeiten werden lediglich registriert und die besten acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ende dieser beiden Runden kommen in die nächste Runde, das Finale.

  • Finale: Das Finale besteht eigentlich aus drei Runden: Viertelfinale, Halbfinale und ein Finale. Zu Beginn des Finales werden die besten acht Kletterinnen und Kletterer nach ihren Zeiten in der vorherigen Runde eingestuft. Die Besten werden mit der Nummer acht gepaart, die Zweitschnellsten mit der Nummer sieben und so weiter.

Die Siegerinnen und Sieger dieser direkten Duelle kommen in die nächste Runde, die Unterlegenen scheiden aus. Nach dem Viertelfinale treten die verbliebenen vier Kletterinnen bzw. Kletterer in einem Halbfinale in gleicher Weise gegeneinander an.

Schließlich kämpfen die beiden Finalisten bzw. Finalistinnen um die Gold- und Silbermedaille. Die Unterlegenen aus dem Halbfinale kämpfen um die Bronzemedaille.

Kombination (Bouldern + Lead) in Paris 2024

In Paris kämpfen die Kletterinnen und Kletterer in der Kombination Bouldern und Lead um maximal 200 Punkte. In jeder Disziplin können bis zu 100 Punkte erreicht werden. Die Kletterin bzw. der Kletterer mit der höchsten Gesamtpunktzahl aus Bouldern und Lead wird zur Siegerin bzw. zum Sieger gekürt.

Beim Bouldern gibt es vier "Boulderprobleme", die die Kletterinnen und Kletterer bewältigen müssen. Jedes dieser Probleme ist maximal 25 Punkte wert. Jedes Problem hat drei "Hauptgriffe" entlang der Route. Der Top-Griff am oberen Ende der Route ist das Ziel. Wird dieser Griff beim ersten Versuch erreicht, erhält man die vollen 25 Punkte für die Route. Für das Erreichen der beiden unteren "Zonengriffe" gibt es 5 bzw. 10 Punkte.

Werden diese Griffe in weiteren Versuchen erreicht, gibt es etwas weniger Punkte. Zum Beispiel erhält man nach den IFSC-Regeln für das Erreichen des Top-Griffs eines Boulderproblems im zweiten Versuch 24,7 Punkte. Gelingt es, alle vier Boulder im ersten Versuch zu klettern, erzielt man die maximale Punktzahl von 100 Punkten.

Beim Lead-Wettbewerb erhält man 100 Punkte, wenn man vor Ablauf der Zeit den Top-Griff der Wand erreicht (und sein Seil oben einhängt). Wer es nicht rechtzeitig schafft oder stürzt, wird nach der zurückgelegten Strecke bewertet. Die Wertung erfolgt rückwärts vom Top-Griff der Wand, wobei jeder der letzten 40 Griffe der Wand Punkte bringt. Die letzten 10 Griffe - unmittelbar vor dem Top-Griff - zählen jeweils vier Punkte. Die 10 davor sind je drei Punkte wert. Die nächsten 10 Griffe sind je zwei Punkte wert und die 10 davor je einen Punkt. Die Griffe vor den letzten 40 werden nicht gewertet. Schafft man es nicht bis zu diesen letzten 40 Griffen, die Punkte bringen, erhält man null Punkte.

Wenn eine Kletterin bzw. ein Kletterer also bis auf drei Griffe vor dem Top-Griff kommt, verliert sie bzw. er 12 Punkte (vier Punkte mal drei Griffe) und erzielt insgesamt 88 Punkte. Bei Punktgleichheit entscheidet die Zeit bis zum jeweiligen höchsten Griff.

Wie können sich die Athletinnen und Athleten im Klettern für die Olympischen Spiele qualifizieren?

Für jeden Wettbewerb hat das Gastgeberland Frankreich automatisch einen Quotenplatz pro Geschlecht erhalten. Die anderen Plätze für die Spiele in Paris werden in drei Wettkämpfen vergeben:

  • IFSC Kletterweltmeisterschaft, die im August 2023 in Bern, Schweiz, stattfand.
  • IFSC Continental Qualifiers, eine Reihe von Wettbewerben in Afrika, Asien, Europa, Ozeanien und Amerika im Jahr 2023.
  • Olympic Qualifier Series, die im Mai und Juni dieses Jahres in Shanghai und Budapest stattfinden

Bei den Olympic Qualifier Series werden 10 Quotenplätze für jedes Geschlecht in der Kombination und fünf Quotenplätze für jedes Geschlecht im Speed-Klettern vergeben werden.

Jedes Land kann maximal zwei Quotenplätze pro Geschlecht und Wettbewerb erhalten (zwei Männer und zwei Frauen in der Kombination und zwei Männer und zwei Frauen im Speed-Klettern).

Weitere Informationen zum Qualifikationsprozess im Speed-Klettern finden Sie hier und für die Kombination hier.

Da die Nationalen Olympischen Komitees die ausschließliche Zuständigkeit für die Vertretung ihrer jeweiligen Länder bei den Olympischen Spielen haben, hängt die Teilnahme der Athletinnen und Athleten an den Olympischen Spielen von Paris 2024 davon ab, dass ihr NOK sie als Vertreterin oder Vertreter ihrer Delegation für Paris 2024 auswählt.

Klicken Sie hier, um das offizielle Qualifikationssystem für jede Sportart zu sehen (auf Englisch).

Wann kann ich Klettern bei den Olympischen Spielen in Paris sehen?

Sowohl die Kombinations- als auch die Speed-Wettkämpfe werden in der Sportkletteranlage Le Bourget ausgetragen werden.

Die Kombinationswettkämpfe finden vom 5. bis 10. August und die Speedwettkämpfe vom 5. bis 8. August statt. Den kompletten Zeitplan der Wettbewerbe finden Sie hier.

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