"Dann muss ich Jessica sein": Wie ein traumatisches Ereignis von Bredow-Werndl auf den Weg zur Dressur-Queen führte
Für Jessica von Bredow-Werndl ist Dressurreiten viel mehr als nur ein Sport. Ihr Pferd ist für sie ihre Tanzpartnerin, mit dem sie etwas Außergewöhnliches erschaffen will.
“Ich tanze jetzt seit neun Jahren mit Dalera. Es geht um Vertrauen und Leidenschaft, das ist es, was wir alle wollen. Ich kann Dalera nicht genug für diesen Tanz danken", sagte sie, nachdem sie bei den Olympischen Spielen Paris 2024 wie schon bei Tokio 2020 Gold im Einzel gewonnen hatte.
Nach dem Erfolg mit dem Team am Samstag darf sich von Bredow-Werndl wieder Doppel-Olympiasiegerin nennen.
Doch um zu diesen vier Goldmedaillen zu gelangen, musste die 38-Jährige eine lange Durststrecke überwinden.
Lesen Sie weiter und erfahren Sie, wie ein einschneidendes Erleben von Bredow-Werndl dazu brachte, ihr Leben zu überdenken und wie sie dadurch den Weg zu ihren großen Erfolgen fand.
Nahtoderfahrung führt zum Umdenken
Nach Erfolgen im Nachwuchssport als dreifache Jugend-Europameisterin blieben im Erwachsenenbereich die Erfolge im Alter zwischen 20 und 26 Jahren aus.
Eine Teilnahme bei Olympischen Spielen erschien damals vollkommen utopisch.
Bis von Bredow-Werndl lernte, etwas Grundlegendes zu ändern.
„Ich habe realisiert, dass wenn ich versuche, jemand anderen zu kopieren, ich nicht ich selbst sein kann“, erklärte sie bei Olympics.com ihre Erkenntnis. „Das war der Zeitpunkt, an dem ich entschieden habe, wenn ich meinen eigenen Weg gehen will, muss ich Jessica sein.“
Zu dieser persönlichen Kursänderung hat auch ein einschneidendes Erlebnis geführt, von dem von Bredow-Werndl dem „BR“ erzählte.
Beim Sardinien-Urlaub im Oktober 2010 wurden sie und ihr heutiger Ehemann Max von der Strömung aufs offene Meer hinausgetrieben. Jessica von Bredow-Werndl schluckte viel Wasser, wurde bewusstlos, ehe sie in letzter Sekunde gerettet wurde.
Der 10. Oktober 2010 wurde zum Wendepunkt für sie: „Durch dieses neue Leben, das ich geschenkt bekommen habe, habe ich mich viel mehr damit beschäftigt, wer ich bin und wer ich sein will.“
Erfolgreiche Kombination von Sport und Familie
Tatsächlich ging es danach im Sport stetig aufwärts. 2014 Aufnahme in den deutschen A-Kader, 2015 Team-Bronze bei der EM.
Die Olympischen Spiele Rio 2016 verpasste sie als zweite Reservereiterin nur knapp.
2018 und 2019 holte sie jeweils Gold mit der deutschen Mannschaft bei WM und EM.
Und schließlich kam es zum Höhepunkt bei Tokio 2020, als sie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in der Entscheidung im Team und im Einzel eine beeindruckende Vorstellung mit TSF Dalera BB bot.
„Ich habe es geschafft, dass Dalera und ich on point voller Energie und Ausstrahlung waren“, blickt sie stolz zurück.
Drei Jahre später ging sie bei Paris 2024 wieder als Top-Favoritin an den Start.
Denn auch nach ihrer Schwangerschaft und der Geburt des zweiten Kindes feierte sie weiter Erfolge. 2023 gewann sie EM-Gold, zweimal in Folge war sie Siegerin beim Weltcup-Finale.
Das erscheint nicht selbstverständlich. Denn von Bredow-Werndl ist nicht nur Profi-Reiterin, sondern auch zweifache Mutter.
Parallel zum Trainingsalltag kümmert sie sich um ihre zwei Kinder.
„Es ist unglaublich, was sie alles leistet“, sagte Ehemann Max von Bredow in der Olympics.com-Serie Athletes to watch über Jessica. „Sie ist eine Spitzenathletin, die Nummer eins in der Weltrangliste, eine wundervolle Ehefrau und eine erstaunliche Mutter.“
Darüber hinaus führt die Doppel-Olympiasiegerin auch ihr Gestüt Aubenhausen bei Rosenheim und leitet zusammen mit ihrem Bruder Benjamin das Team.
Doch von Bredow-Werndl scheint nichts zu viel zu werden. Sie schöpft aus beiden Bereichen – Sport und Familie – „Energie und Stärke“ für den jeweils anderen Bereich.
Gold in Versailles das große Ziel
Mit dieser Energie visierte sie den nächsten großen Erfolg an.
Vor allem der Schauplatz der Reitwettbewerbe weckte bei ihr zusätzliche Lust: „Versailles ist ein ganz besonderer Ort und wahrscheinlich der perfekte Ort für die Dressurwettbewerbe.“
Ihr Ziel für Versailles formulierte sie vor den Spielen klar: „Mit meinem Herzenspferd das noch einmal wiederholen zu dürfen, wäre der absolute Wahnsinn.“
Der Wahnsinn wurde am Sonntag endgültig Realität. Und von Bredow-Werndl wusste einmal mehr, bei wem sie sich zu bedanken hatte.
"Sie ist die tollste Seele auf diesem Planeten", schwärmte sie nach dem neuerlichen Doppel-Triumph von Dalera, ihrem Herzenspferd.