Freude und Herzschmerz bei den Teahupo'o Surfcamp Athletinnen und Athleten, wer wird nach Tahiti für die Spiele zurückkehren?

Von Lena Smirnova
9 min|
Tiara van der Huls war eine der sieben Surferinnen, die in der Teahupo'o Surfcamp Dokumentation des Olympic Channel zu sehen waren.
Foto von Pablo Jimenez/ISA

Sol Aguirre aus Peru erlebte in diesem Jahr zwei der emotionalsten Augenblicke ihres Lebens: das Surfen der weltweit größten Wellen in Tahiti und die Erleichterung, die sie verspürte, als es ihr gelang, die letzte Chance zu nutzen, um sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.

Sieben Monate nach ihrem unvergesslichen Ritt durch die berühmten Teahupo'o Barrels beim ISA-Trainingslagers war die peruanische Surferin erneut den Tränen nahe, als sie ein weiteres Ticket nach Tahiti erhielt - diesmal für die Olympischen Spiele.

„Es war unglaublich. Dorthin zu reisen und zu sehen, wo ich später einmal sein könnte, war wahrlich eine riesige Chance“, sagte Aguirre gegenüber Olympics.com. „Dort zu sein, die Welle zu beobachten, so wie ich es tun würde, wenn ich dort antreten würde, wenn ich meine Olympische Quote bekomme, hat mir die Augen geöffnet und mich noch mehr motiviert, dieses Ziel zu erreichen.“

Die ISA World Surfing Games 2024 waren die letzte Chance für vier der sieben Athletinnen und Athleten, die im Dokumentarfilm des Olympic Channels über das Teahupo'o Surfcamp vorgestellt wurden, sich eine Quote für die Olympischen Spiele 2024 zu sichern: Aguirre, Cody Young aus Kanada, Leilani McGonagle aus Costa Rica und Tiara van der Huls aus den Niederlanden.

Der neuseeländische Billy Stairmand und mexikanische Alan Cleland hatten sich bereits aufgrund ihrer Ergebnisse bei den ISA World Surfing Games 2023 Quoten gesichert, während Lucca Mesinas aus Peru seine durch den Sieg bei den Panamerikanischen Spielen 2023 in Santiago erlangte.

Olympics.com begleitete die vier Athletinnen und Athleten auf der Jagd nach den Quoten durch den achttägigen Wettkampf in Puerto Rico, ihre letzte Möglichkeit, um mit den anderen Surfcamp Teilnehmenden erneut nach Tahiti zu reisen.

*Da die Nationalen Olympischen Komitees die ausschließliche Zuständigkeit für die Vertretung ihrer jeweiligen Länder bei den Olympischen Spielen haben, hängt die Teilnahme der Athletinnen und Athleten an den Pariser Spielen davon ab, dass ihr NOK sie als Vertreter*innen ihrer Delegation für Paris 2024 auswählen.

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Sol Aguirre: Vom Tahiti-Neuling zur Tahiti-Olympionikin

Im Juli 2023 fand das ISA-Trainingslager statt, das den Surferinnen und Surfern, die gute Chancen hatten, sich für Paris 2024 zu qualifizieren und noch nie in Teahupo'o waren, eine einmalige Möglichkeit bot, an dem zukünftigen Olympischen Surfspot zu trainieren.

Unter den sieben Teilnehmenden war auch die 20-jährige Sol Aguirre. Rückblickend wurde ihr klar, dass dieses Training auf Tahiti ihr den Motivationsschub gab, den sie gebraucht hatte, um bei den ISA World Surfing Games 2024 ein Olympiaticket zu erreichen.

Aguirre gewann vier ihrer sieben Heats in Puerto Rico, darunter auch den Haupt-Heat der vierten Runde, der ihre Olympiaquote sicherte. Als sie aus dem Wasser kam, umarmte sie erleichtert zuerst ihren Freund, den Olympioniken von Tokio 2020, Lucca Mesinas.

„Olympionikin zu werden, ist etwas, wovon ich immer geträumt habe“, sagte sie. „Es ist nicht nur ein Triumph für mich, sondern für meine ganze Familie und mein Land.“

Das Training auf den Wellen von Teahupo'o während des Surfcamps motivierte Aguirre nicht nur dazu, härter für ein Olympiaticket zu kämpfen, sondern war für sie auch eine wichtige Lektion - vor allem darüber, ihre Grenzen zu testen und sie zu überwinden.

Einer der denkwürdigsten Momente während der Surfcamp-Woche war für Aguirre, als sie ein Barrel einfuhr, die sie zunächst erschreckte, und es schaffte, während der gesamten Zeit auf ihrem Board zu bleiben. Als sie aus der Barrel herausfuhr, übermannten Aguirre so viele Emotionen, dass sie im Wasser anfing zu weinen.

„Es ist eine super spezielle, unglaubliche, super intensive Welle und sie erfüllt einen gleichzeitig mit vielen Emotionen. Es ist etwas, das das Beste in dir zum Vorschein bringt und dich als Person wachsen lässt“, sagte sie. „Teahupo'o ist keine einfache Welle und sie ist ein wenig gefährlich, aber gleichzeitig ist sie perfekt, also ist es etwas, wofür man ständig kämpfen muss, weil man ständig mit seinen Ängsten konfrontiert ist und seine Grenzen überwinden will. Es testet dich, um zu sehen, ob du es wirklich willst.“

Aguirre wird ihr olympisches Debüt in Tahiti neben Mesinas und dem peruanischen Surfer Alonso Correa geben, der sich ebenfalls sein Ticket über die ISA World Surfing Games 2024 gesichert hat.

Sol Aguirre hat das Surfcamp Teahupo'o dabei geholfen, ihre eigenen Grenzen zu überwinden

Foto von Tim McKenna/ISA

Leilani McGonagle: Doppelter Herzschmerz auf der olympischen Reise

Als Leilani McGonagle am Strand von Arecibo, Puerto Rico aus dem Wasser stieg, erlebte sie ihre zweite große Enttäuschung innerhalb von vier Monaten.

Die Surferin aus Costa Rica verpasste die olympische Qualifikation knapp um einen Platz, als sie bei den Panamerikanischen Spielen 2023 in Santiago der Kanadierin Sanoa Olin unterlag. McGonagle gewann zwar Bronze, doch Olin sicherte sich durch die Silbermedaille ein Ticket für Paris 2024.

Ein ähnliches Szenario wiederholte sich in Puerto Rico, wo McGonagle erneut hinter Olin landete, was zu ihrem Ausscheiden aus dem Wettbewerb führte, als die letzten individuellen Frauenquoten vergeben wurden.

„Es ist ein bitterer Beigeschmack“, sagte die Olympionikin von 2020. „Es ist sehr schwer zu akzeptieren, dass man nicht die Qualifikation hat, von der man so sehr überzeugt war, dass man sie erreichen könnte, für die man so hart gekämpft hat und die einfach nicht eingetreten ist.“

„Ich habe 100 Prozent gegeben, aber es ist immer sehr schwer zu akzeptieren, wenn man als Erste ausscheidet“, sagte Leilani McGonagle zu Olympics.com.

Andere Surfer versammelten sich um McGonagle nach ihrem letzten Heat in Puerto Rico und versuchten, sie über die verpasste olympische Qualifikation zu trösten.

Es war ein Zeugnis dafür, wie respektiert sie in der internationalen Surfszene ist - etwas, das auch beim Surfcamp in Teahupo'o deutlich wurde. Als fröhliche Persönlichkeit auf dem Boot und furchtlos auf den Wellen wurde McGonagle von Aguirre als eine Art „Energiebündel“ beschrieben, das ihr half, ihre Ängste in Tahiti zu überwinden und zu einer besseren Surferin zu werden.

McGonagle verließ das Surfcamp auch mit einer Fülle neuer Erfahrungen, die sie geprägt haben.

„Es hat mich gelehrt, mir mehr zu vertrauen und ein wenig mehr Liebe für diese Art von Welle zu entwickeln“, sagte sie. „Ich habe das Gefühl, dass ich viel gelernt habe.“

Foto von Javi Postigo/ISA

Cody Young: Zusätzlicher Ansporn, um der beste Surfer der Welt zu werden

Für Cody Young endete der Qualifikationsweg für die kommenden Olympischen Spiele unerwartet bei den ISA World Surfing Games 2024, als er im Heat der Männer hinter Rio Waida aus Indonesien und Andy Criere aus Spanien landete. Sowohl Waida als auch Criere sicherten sich die Quoten, und somit blieb keine für Young übrig.

Young lässt sich von dem geplatzten Traum nicht entmutigen und hat einen noch stärkeren Willen, sein Können zu beweisen.

„Ich hatte viele Gedanken und Emotionen. Ich habe darüber nachgedacht, ob ich es weitermachen soll oder nicht, aber letztendlich hat es mich einfach inspiriert, viel besser zu werden“, sagte der kanadische Surfer zu Olympics.com.

„Beim nächsten Mal möchte ich mich über die Championship Tour qualifizieren... Das Ziel ist es, Weltmeister zu werden, und wenn ich dort bin, werde ich automatisch bei den Olympischen Spielen sein.“

Mit der Championship Tour im Blick, sowie LA 2028, könnten die Erfahrungen, die er auf den Wellen von Teahupo'o gesammelt hat, genau der Schub sein, den Young braucht, um in die Reihe der Besten vorzurücken. Der Tahiti Pro Wettkampf ist eine der wichtigen Stationen der WSL Championship Tour. Young zog auch Vergleiche zwischen Teahupo'o und Pipeline, die seit 2021 die Saisonauftakte der CT hintereinander ausrichtet.

„Es war definitiv cool, dort zu sein, um die Welle zu lernen und zu verstehen“, sagte Young über das Surfen in Tahiti. „Ich habe viele gute Tipps für die Technik des rückseitigen Barrel Surfens erhalten, was wahrscheinlich das Schwierigste im Surfen ist.

„Das lässt sich definitiv auf andere Orte übertragen, und ich denke, das wird mir in Wettkämpfen helfen.“

Cody Young möchte seine Fertigkeiten, die er in Teahupo'o erlangt hat, nutzen, um sein Surfen an anderen renommierten Spots mit anspruchsvollen Riffen wie Pipeline zu verbessern.

Foto von Pablo Jimenez/ISA

Tiara van der Huls: Trotz Niederlage gestärktes Selbstvertrauen

Nach ihrer herausragenden Leistung bei den ISA World Surfing Games 2023, bei denen sie mit einer Wertung von 9,03 die dritthöchste Punktzahl für ihre Welle bei den Frauen erzielte, erhielt Tiara van der Huls eine Einladung zum Teahupo'o Surfcamp.

Die niederländische Teenagerin hatte Schwierigkeiten, diese Leistung beim jährlichen Event 2024 zu wiederholen. Sie war sichtlich niedergeschlagen, als sie einen Tag vor den entscheidenden Heats aus dem Rennen ausschied. Trotz des zerplatzten Olympia-Traums konzentrierte sie sich auf die positiven Aspekte der Erfahrung.

„So nah dran zu sein, zeigt mir, dass ich es schaffen kann und es eine Möglichkeit für mich gibt, mich für die (nächsten) Olympischen Spiele zu qualifizieren“, sagte van der Huls zu Olympics.com. „Es ist frustrierend, dass ich so nah dran war, aber es gibt mir auch das Vertrauen für die nächsten Wettkämpfe.“

Van der Huls lebt und trainiert auf Curaçao, einer niederländischen Insel in der Karibik. Vor der Reise nach Tahiti hatte noch nie eine "echte Barrel" gesurft. Sie hatte großen Respekt vor Teahupo'o, auch bekannt als "Wall of Skulls". Im Laufe der Surfcampwoche baute sie jedoch mehr und mehr Vertrauen auf und ging gemeinsam mit den Surferinnen McGonagle und Aguirre weiter an ihre Grenzen.

„Es war so kraftvoll, und jedes Mal bekam man die Wucht ab. Ich musste herum paddeln, weil es mich über das Riff zog“, erinnerte sich van der Huls. „Ich denke, es war eher eine mentale Herausforderung“, fuhr sie fort.

„Der physische Teil besteht darin, sich so gut wie möglich vorzubereiten und es zu versuchen. Und dann ist der mentale Teil dein Verstand, der dich manchmal blockiert, wenn du die Welle nehmen willst oder reinsurfen musst, und das ist der schwierigste Teil.“

Obwohl eine Teilnahme an den Olympischen Spielen auf Teahupo'o für van der Huls nicht mehr möglich ist, freut sie sich bereits auf den Beginn des nächsten olympischen Qualifikationswegs für LA 2028.

„In etwa vier Jahren wäre ich gerne bei den Olympischen Spielen dabei sein. Das ist gerade mein größter Traum, da es auf der ganzen Welt so ein großes Ereignis ist“, sagte van der Huls. „Es wäre so cool, sich Olympionikin nennen zu können.“