Refugee Olympic Team: Leichtathletik gibt Mohammad Amin Alsalami und Musa Suliman neuen Lebenssinn
Mohammad Amin Alsalami und Musa Suliman verbindet nicht nur die Leidenschaft für die Leichtathletik - Weitsprung, Dreisprung und Laufen –, sie sind auch beide in ein deutschsprachiges Land (Deutschland und die Schweiz) geflüchtet.
Als Teil des Refugee Olympic Teams haben Sport und die Möglichkeit, an den Olympischen Spielen in Paris 2024 teilzunehmen, ihr Leben grundlegend verändert.
In Syrien gewann Alsalami bereits mit 16 Jahren die nationalen Schulmeisterschaften im Dreisprung und Weitsprung. Sein Ziel, Leistungssportler oder Trainer zu werden, stand fest.
„Mein Trainer in Syrien war ein ehemaliger Athlet im Weitsprung und Dreisprung. Er erzählte mir, was Sport bedeutet, was Leichtathletik bedeutet und wie das Leben als Profisportler aussieht. Er hat mich dazu gebracht, mich in die Leichtathletik zu verlieben“, sagte Alsalami zu Olympics.com
Der 20-jährige Suliman hingegen hätte nie gedacht, dass in ihm ein 400m-Lauftalent schlummert und dass er eines Tages an den Olympischen Spielen teilnehmen würde. Aufgewachsen im Sudan und in Kairo stellte er sich in seinen kühnsten Träumen eine Karriere als Fußballer vor, doch ein glücklicher Zufall führte ihn auf eine Schweizer Laufbahn.
Der Neuanfang in Berlin für Alsalami und in der Nähe von Bern für Suliman war nicht immer einfach, doch sie trafen beide Menschen auf ihrem Weg, die ihnen halfen sich in ihrer neuen Heimat wohlzufühlen.
„Ich vermisste meine Familie so sehr. Aber ich sagte mir: 'Du musst nur geduldig sein. Alles wird besser‘", erinnerte sich Alsalami.
„Als ich anfing, Deutsch zu verstehen, verstand ich auch die europäische und deutsche Kultur. Das hat mir das Leben leichter gemacht. Wenn du verstehst, warum sich Menschen so verhalten, wie sie es tun, kannst du mit ihnen interagieren.“
„Am Anfang war es schwer. Aber jetzt kann ich sagen: Ich liebe die deutsche Lebensart. Diese Aufmerksamkeit für Korrektheit, das ist typisch deutsch, und ich liebe es."
Erfahren Sie, warum die Leichtathletik für Mohammad Amin Alsalami und Musa Suliman nicht nur ein sportlicher Ausgleich ist, sondern ihnen neue Perspektiven eröffnet und ihre Lebenswege geformt hat.
Vom Fußballplatz auf die Laufbahn
Musa Suliman wird als Athlet des Refugee Olympic Teams bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris antreten und im 400-Meter-Lauf starten.
Aufgewachsen im Sudan, zog er im Alter von 9 Jahren mit seiner Familie nach Kairo um, nachdem sein Vater eine Kriegsverletzung erlitten hatte. Dort arbeitete er in verschiedenen Bereichen, um Geld zu verdienen und seine Familie zu unterstützen.
Im Jahr 2021 kam Musa als Flüchtling in die Schweiz, in die Nähe von Bern. Eine Sozialarbeiterin fragte ihn, ob er beim Fußballverein FC Länggasse mitspielen wolle, um neue Freunde zu finden und die Sprache leichter zu lernen.
Neben dem Fußballplatz des Vereins gibt es auch eine Laufbahn. Als Suliman eines Tages früher zum Training kam, ging er hinüber, um sich schon einmal warmzulaufen. Währenddessen trainierten dort einige Läufer mit ihrem Trainer Frank Conradi, der später auch Sulimans Trainer werden sollte.
Er beobachtete Suliman beim Joggen und fragte ihn, ob er am 200-Meter-Lauf teilnehmen wolle. Obwohl ihn die anderen Läufer überholten, erzielte er eine sehr gute Zeit.
Conradi nahm ihn ins Lauftraining auf, motivierte ihn zur Teilnahme an Wettkämpfen und half ihm bei der Bewerbung für das Olympic Refugee Team. „Ich bin ihm sehr dankbar, wir stehen weiterhin in Kontakt. Für mich ist er wie ein Bruder“, sagte Suliman über seinen ersten Trainer.
Vor seinem Umzug in die Schweiz war Suliman immer nur zum Spaß mit seinen Freunden um die Wette gelaufen. Wenn es dunkel wurde, mussten sie sich beeilen, schnell nach Hause zu kommen, und dabei ging es immer darum, wer als Erster das nächste Haus erreichte.
Den Spaß am Laufen hat Suliman sich erhalten, seine Trainingskollegen sind zu seinen Freunden geworden.
Eine ungewisse Reise mit klarem Ziel
Bei Mohammad Amin Alsalami war es sein Sportlehrer in Aleppo, der sein Talent erkannte und ihn für die nationalen Schulmeisterschaften anmeldete. Alsalamis Leidenschaft war geweckt und er trainierte unerlässlich.
Die Krisensituation in seinem Heimatland stoppte ihn daran, als sein Trainingsplatz zerstört wurde. Während seine Familie 2014 in die Türkei floh, blieb er zunächst in Syrien, um sein Studium fortzuführen. Als sich die Stimmung im Land zuspitzte, beschloss er ein Jahr später ihnen zu folgen und von dort aus nach Deutschland zu flüchten.
„Eines Tages in der Türkei sagte ich mir: Ich will nur meinen Sport machen. Egal wo, egal mit wem. Ich möchte einfach meinen Traum leben. Ich will zu den Olympischen Spielen."
Die Familie zu verlassen und auf eine ungewisse Reise zu gehen, war für ihn keine einfache Entscheidung.
„Der Beginn der Reise war der gefährlichste Teil. Das werde ich nie vergessen. Ich saß mit vielen anderen Leuten in einem Schlauchboot, das mich von der Türkei auf eine griechische Insel brachte. Es war eine sehr, sehr schwere Entscheidung, ob ich in dieses Boot steigen sollte.“
Nach 25 Tagen gelangte er nach Deutschland, wo er nun, seit mehr als 8 Jahren lebt.
„Nachdem ich mit festem Boden unter den Füßen aus diesem Schlauchboot ausgestiegen war, wusste ich: 'Ich werde nicht sterben. Jetzt wird alles besser. Schlimmer kann es nicht werden. Meine Zukunft beginnt jetzt.'"
Die Ankunft im kalten Deutschland, ohne Sprachkenntnisse, war für Alsalami jedoch nicht einfach.
„Nachdem ich Deutsch gelernt hatte, lernte ich Menschen kennen, die mir geholfen haben. Es hat zwei Jahre gedauert, aber nach diesen zwei Jahren war meine Situation besser."
Mohammad Amin Alsalami gehört seitdem zu Deutschlands besten Athleten in Weit- und Dreisprung und konnte bereits einige internationale Erfolge feiern, wie Platz 10 bei den Asienmeisterschaften 2019 in Doha.
Laufen als mentale Stütze
Als sich Suliman im vergangenen Winter verletzte, wurde ihm bewusst, wie viel ihm das Laufen bedeutet.
„Als ich verletzt war, ist mein Leben schwierig geworden, nicht nur für das Training, sondern auch in der Schule. Ich konnte mich nicht konzentrieren und ich konnte meine Freunde (im Verein) nicht treffen.“
Viel Zeit bleibt neben dem täglichen Training, Wettkämpfen und Trainingslager kaum, auch nicht in den Sommerferien. Doch das stört Suliman nicht.
„Ich habe immer Lust auf Training. Bevor ich in die Schweiz gekommen bin, hatte ich keinen Sinn im Leben. Aber jetzt habe ich einen Lebenssinn und das motiviert mich sehr zu trainieren.“
Auch für Alsalami ist das Weitsprungtraining ein unersetzlicher Bestandteil seines Lebens, bei dem er alles um sich herum vergisst.
„Ich möchte meinen Sport so lange wie möglich machen. Es gibt ein Gefühl, das man nur im Sport bekommt. Es gibt mir das Gefühl, dass ich am Leben bin. Ich bin ein Flüchtling und weit weg von zu Hause, aber ich tue, was ich liebe. Ich bin in den Top 20 meines Sports. Ja, ich lebe noch.“, sagte Alsalami.
Mit Bestleistungen bei Paris 2024 glänzen
Für seinen Traum, Profisportler zu werden, hat Mohammad Amin Alsalami einen steinigen Weg auf sich genommen. Bei Paris 2024 will Alsalami im Weitsprung 8 Meter erreichen. Bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2023 in Budapest erzielte er bereits 7,46 Meter. Seine Bestleistung legt bei 7,88 Meter.
„Wenn ich das schaffe, werde ich mich für das Finale im Weitsprung qualifizieren, denke ich. Ich werde alles geben. Ich möchte beweisen, dass ich nicht nur in Paris bin, weil ich ein Flüchtling bin, sondern auch, weil ich es als Sportler verdient habe.“
Suliman wird für seine erste Teilnahme an den Olympischen Spielen keinen physischen Glücksbringer einpacken, ihm geht es um die richtige Einstellung.
„Ich möchte mir an diesen Tag keinen Stress machen, das ist mein Glücksbringer“, sagte Musa Suliman.
„Ich will einfach mitkommen und mitmachen. Es ist sehr bald. Ich hoffe einfach, dort eine gute Beppe (Schweizerdeutscher Ausdruck für guten Eindruck hinterlassen) zu machen“, sagte Musa Suliman über die Olympischen Spiele 2024 in Paris.
Alsalami möchte mit derselben gelassenen Einstellung bei den Spielen starten. „Ich kann den Tag kaum erwarten, an dem ich bei den Olympischen Spielen bin. Auf der anderen Seite steigt der Druck. Aber ich werde versuchen, cool zu bleiben und einfach die Spiele zu genießen.“
Der Fokus der beiden Leichtathleten liegt auf den kommenden Spielen. Sie streben allerdings nicht nur nach sportlichem Erfolg, sondern auch nach einem erfüllten und glücklichen Leben in ihrer jeweils neuen Heimat.
Suliman möchte die Schule erfolgreich abschließen und Alsamani würde gerne sein Wissen als Trainer weitergeben.
„Ich möchte eine Familie gründen und hier in Deutschland glücklich werden. Ich möchte einfach nur mein Leben genießen und ich möchte Trainer werden“, sagte Alsamani.