Patrick Mouratoglou, Coach der Tennisstars: „Trainer zu sein, bedeutet mehr als nur Trainingseinheiten zu leiten.“

Von Florian Bouhier
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Patrick Mouratoglou and Danish player Holger Rune
Foto von Julien Nouet

Mouratoglou – Ein Name, der in der Tenniswelt für Trainingserfolge steht.

Seit über zwanzig Jahren erfindet sich Patrick Mouratoglou in seinen Trainingsmethoden immer wieder neu, aber auch sich selbst als Coach, Talentscout, TV-Berater, Unternehmer und vieles mehr. Der 53-jährige Franzose ist in der Tenniswelt allgegenwärtig. Was macht diesen Trainer so besonders, dass alle Tennisstars mit ihm zusammenarbeiten wollen?

Mouratoglou, der derzeitige Trainer von Holger Rune, teilte in einem exklusiven Interview mit Olympics.com seine Liebe zum Sport, sprach über seinen turbulenten Weg als Trainer und seine Zusammenarbeit mit Serena Williams. Dabei gab der Franzose nicht nur Einblicke in seine veränderten Trainingsmethoden im Laufe der Zeit, sondern auch in die Veränderungen des Sports selbst.

Tauchen Sie mit uns ein in die faszinierende Welt von Patrick Mouratoglou, einem einst jungen Tennisspieler, der „nie das Ziel hatte, Trainer zu werden". Er erzählte, wie er sein Schicksal selbst in die Hand nehmen wollte und wie er sich zu einem der anerkanntesten Trainer im Profitennis hocharbeitete, hungrig nach Siegen und Emotionen: „Es ist meine Lebensaufgabe.“

„Die Rolle des Trainers ist es, ein Chamäleon zu sein.“

Für Patrick Mouratoglou ist kein Ziel zu groß.

Als Gründer von Europas größter Tennisschule mit Trainingszentrum, aus der einige Tennistalente hervorgegangen sind, und mit einer großen Fangemeinde in den sozialen Medien (mit über einer Million Followern auf Instagram), ist er nicht nur im Training eloquent, sondern auch bei seiner persönlichen Definition eines Tennistrainers.

„Als Coach geht es nicht nur darum, Trainingseinheiten durchzuführen. Es geht darum, dass die Spieler*innen ihr Potenzial zu 100 Prozent ausschöpfen können.“

„Die Rolle des Trainers ist es, ein Chamäleon zu sein. Er muss in der Lage sein, sich auf die andere Person einstellen zu können, denn jeder Mensch ist völlig anders“, sagte Mouratoglou.

Alle Spielerinnen und Spieler bringen ihre individuelle Geschichte, eigenen Charakter und spezifische Ambitionen mit. Für den Tennistrainer der Stars gibt es keine allgemeine Mouratoglou-Methode. Er passt seine Trainingseinheiten sowie seine Art und Weise zu trainieren auf jede Person an.

„Ich habe Serena (Williams) ganz anders trainiert als Simona Halep. Es sind zwei Spielerinnen, die beide um die 30 Jahre alt waren, beide ehemalige Weltranglistenerste, aber mit völlig unterschiedlichen Geschichten und Persönlichkeiten.“

Die Zusammenarbeit mit Serena Williams ist für Patrick Mouratoglou einer der Höhepunkt seiner Trainerkarriere.

„Viele Trainer glauben, dass die eigene Rolle mit dem Training endet, aber ihre Rolle endet mit dem Sieg.“

Für Mouratoglou ist es besonders wichtig, die Persönlichkeit der Tennisspieler*innen herauszustellen.

„Es ist ein außergewöhnlich mentaler Sport. Grand-Slam-Titel gewinnt man mit Persönlichkeit. Welche Persönlichkeit hat der Spieler? Ist es eine Persönlichkeit, die geeignet ist, einen Grand Slam zu gewinnen?"

Für Mouratoglou ist das Ziel bei der Zusammenarbeit mit einem Tennisstar klar: Es geht um Siege, Titel und den Wunsch, Geschichte zu schreiben. Für diese Mission entwickelt er spezifische Trainingseinheiten, die sowohl effizient als auch individuell angepasst sind.

Serena Williams mit Trainer Patrick Mouratoglou während des Trainings vor den Australian Open 2020

„Viele Spieler*innen haben mich angefragt, obwohl ich noch nie jemanden trainiert hatte.“

Mouratoglous Name hat in der Sportwelt ein großes Ansehen, das liegt das zum Teil auch an den am Erfolg seiner Tennisschule mit Trainingszentrum. Die Mouratoglou Academy ist ein riesiges Sportzentrum, das sich dem Tennis und der Entwicklung neuer Tennistalente widmet. Es befindet sich in Sophia-Antipolis, Frankreich, an der Côte d'Azur befindet.

„Wir haben eine Anlage, die in Bezug auf Infrastruktur, Platz und Lage wahrscheinlich die beste in Europa ist.“

Inspiriert von der Akademie von Nick Bollieteri – „nicht von der Philosophie, sondern dem Aufbau“, wollte Patrick Mouratoglou ursprünglich einen Trainingsort für junge Tennisspielerinnen und -spieler schaffen, um ihnen zu internationalen Erfolgen zu verhelfen. Er wollte den Ort schaffen, den er sich selbst in seiner Jugend gewünscht hätte.

„Ich wollte jungen Menschen die Möglichkeiten zu bieten, die ich nicht hatte, als ich fünfzehn oder sechzehn Jahre alt war, als ich ein sehr guter Tennisspieler war und Ambitionen hatte, Profi zu werden. Ich hatte keine Möglichkeiten, also wurde es zu einem echten Ziel, vielen jungen Menschen diese Möglichkeiten zu geben.“

Ein international angesehener Trainer zu werden, war für ihn damals kein Ziel. "Ich hatte nicht den Wunsch, Trainer zu werden. Ich hatte nie den Ehrgeiz, Trainer zu werden. Um ehrlich zu sein, hatte ich gar nicht darüber nachgedacht.“

In den 1990er-Jahren lernte er Bob Brett kennen, der unter anderem Boris Becker und Goran Ivanišević trainiert hatte. Der australische Coach war Namensgeber der Akademie in ihren Anfängen im Jahr 1996 und brachte Mouratoglou die Grundlagen des Trainings bei: „Wir hatten eine sehr enge Beziehung. Er hat mir alles, was er wusste, mit großer Großzügigkeit beigebracht.“

Mit Bob Bretts Ausstieg aus diesem Projekt musste sich Patrick Mouratoglou entscheiden, wie es für ihn und die Akademie weitergehen sollte.

„Als Bob Brett ging, war ich sehr enttäuscht. Wir mussten bei null anfangen. Mein Name war der Einzige, auf den ich mich dann zu 100 % verlassen konnte. Aber: ‚Kann die Akademie meinen Namen tragen, wenn ich kein Trainer bin? Nein.‘“, erinnerte sich Mouratoglou.

„Gleichzeitig haben mich viele Spieler*innen angefragt, obwohl ich noch nie jemanden trainiert hatte. Ich habe mit jungen Spielerinnen angefangen, weil ich keine Erfahrung hatte, und dann ging alles sehr schnell, denn zehn Jahre später trainierte ich Serena Williams.“

Serena Williams aus den USA mit Trainer Patrick Mouratoglou

„Serena wieder Serena sein lassen“

Ein unvergessliches Kapitel seiner Trainerkarriere Mouratoglou die Zusammenarbeit mit Serena Williams. Eine Tennislegende aus Amerika trifft auf einen sieges- und wettkampfhungrigen Franzosen, dabei können nur internationale Erfolge herauskommen.

„Wir haben viele Gemeinsamkeiten in vielen Dingen, in der Art und Weise, wie wir diesen Sport sehen, den Wettbewerb. Ich glaube, ich bin die Person, die sie am besten kennt. Das sagt sie mir sogar, und sie gehört auch zu den Menschen, die mich am besten kennen.“

Serena Williams erzielte zu diesem Zeitpunkt täglich Spitzenleistungen und hatte bereits 13 Grand-Slam-Titel gewonnen. Doch im Sommer 2012 hatte die US-Amerikanerin fast zwei Jahre lang kein Major-Turnier mehr gewonnen und brauchte die Hilfe des französischen Trainers. Seine Philosophie und Trainingseinheiten halfen Serena Williams an ihre Erfolge anzuknüpfen. Sie gewann anschließend Wimbledon, die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2012 in London, die US Open und die WTA-Finals. Serena Williams hatte ihr Selbstvertrauen zurückgewonnen.

Die Tennisstars während ihrer Erfolgsphasen zu unterstützen ist einfach, doch wie bringt man eine Spielerin oder einen Spieler in schwierigen Zeiten wieder auf den Weg?

Der Schlüssel für den Erfolg bei Serena Williams fand Mouratoglou vor allem in transparenten Gesprächen

„Wir hatten einige Momente der Meinungsverschiedenheit. Ich denke, einer der Schlüssel ist, sie zu lösen, auch wenn das bedeutet, dass man sich gegenseitig die ungeschminkte Wahrheit von Angesicht zu Angesicht sagt. Die Dinge werden hitzig. Man muss Dinge sagen, auch wenn es weh tut, auch wenn es heftig ist und auch wenn es das Gefühl der Wut hervorruft.“

Bei der Beziehung zwischen Trainer und Spieler*in geht es nicht nur darum, was auf dem Platz passiert. Beide Personen brauchen für eine erfolgreiche Zusammenarbeite eine Verbindung, die auf der Grundlage von Vertrauen, Transparenz und Wohlwollen basiert.

„Ich glaube, dass wir (Williams und Mouratoglou) uns sehr mögen. Ich glaube nicht, dass sie mit jemand anderem zusammenarbeiten wollte, und ich wollte auch nicht mit jemand anderem arbeiten. Wenn wir eine gemeinsame Perspektive haben, bringen wir Vertrauen, wir bringen gegenseitigen Austausch.“

Dieser gemeinsame Austausch gehört zu den Höhepunkten in der Karriere von Patrick Mouratoglou.

„Es gab Spielbesprechungen, bei denen ich sie (Serena) zum Weinen gebracht habe. Aber es war notwendig. Das sind die intensiven Momente. [...] Ich werde diese Momente in meinem Leben nie vergessen.“

Nach ihren Siegen bei den Australian Open, Roland Garros und Wimbledon war die Amerikanerin nur noch zwei Matches davon entfernt, den Grand Slam zu erreichen. Am 11. September 2015 unterlag Serena Williams im Halbfinale der US Open der Weltranglisten-43. Roberta Vinci (6:2, 4:6, 4:6). Die Enttäuschung war groß.

„Diese Niederlage tat ihr furchtbar weh und führte zu weiteren in schneller Folge. Im nächsten Jahr kommt sie nach Roland Garros und denkt nicht mehr wie Serena, also weiß ich, dass es im Finale gegen Muguruza schlecht laufen wird. Ich habe mich während des Briefings vor dem Spiel ins Zeug gelegt, weil ich sie wieder mit sich selbst verbinden wollte.“

„Das Spiel war nicht das Problem. Es ging darum, dass Serena in Bezug auf die Denkweise wieder zu Serena wird. Es war übrigens ein unglaublicher Moment, in dem sie geweint hat. Es funktionierte nicht sofort, weil sie das Match verlor, aber fünfzehn Tage später rief sie mich an und ich sagte: 'Es ist okay, sie ist wieder Serena', und sie gewann danach Wimbledon.“

Die Zukunft des Trainings: „Es ist frustrierend, keinen größeren Einfluss auf das Spiel nehmen zu können.“

Das professionelle Tennis hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert und wird sich auch in Zukunft weiterentwickeln. Die Ausrüstung wird noch mehr optimiert sowie die athletischen Fähigkeiten der Spielerinnen und Spieler. Auch die Trainerinnen und Trainer müssen ihre Arbeitsmethoden daraufhin stetig anpassen.

Während der Covid-Zeit gründete Patrick Mouratoglou die UTS-Tour, eine Organisation, die bei den eigenen Turnieren unter anderem ermöglicht, dass Trainerinnen und Trainer eine Auszeit einberufen können. Diese League ist besonderes darauf ausgerichtet, was sich der Franzose für den Profitennissport wünscht.

„Coachingmomente sind Teil der Sportgeschichte. Sie können inspirierend und aufregend sein, und ich empfinde es als bedauerlich, sie dem Publikum vorzuenthalten. Tennis ist eine Ausnahme, aber ich glaube nicht, dass es eine gute ist.“

„Unsere Aufgabe ist es, den Spieler*innen zum Sieg zu verhelfen, und es ist extrem frustrierend, keinen größeren Einfluss auf das Spiel nehmen zu können.“

Derzeit sitzen professionelle Tennistrainerinnen und -trainer auf der Tribüne und haben keine Möglichkeit, mit ihren Spielern zu kommunizieren, obwohl kurze Interaktionen erlaubt sind.

„Es ist eine echte Anstrengung während des Spiels. Man muss in der Lage sein, seinen Stress zu absorbieren, sehr ruhig zu sein, um den Zustand des Spielers wahrzunehmen, und gleichzeitig einen klaren Kopf darüber haben, was auf dem Platz passiert, um Ratschläge zu geben. Ein taktischer Tipp im entscheidenden Moment kann einen großen Unterschied machen.“

Im Tennissport nehmen Daten und Statistiken einen immer größeren Raum ein, was Patrick Mouratoglou allerdings nicht stört.

„Ich verstehe nicht einmal, wie jemand gegen Daten sein kann. Das macht keinen Sinn, denn Daten geben uns greifbare Informationen. Das Auge hat seine Grenzen, und Daten erlauben es uns oft, über das hinauszublicken, was unser Auge wahrnehmen kann.“

Während sich der Tennissport in den nächsten zehn Jahren in Richtung vieler Ziele entwickeln wird, sieht sich Patrick Mouratoglou immer noch mit dem gleichen Ehrgeiz.

„Was mich betrifft, hoffe ich, auf einem professionellen Platz mit einem Spieler zu stehen, der um den Sieg bei Grand Slams spielt.“

Für Mouratoglou sind Siege immer das Ziel.

Coco Gauff traininert mit Patrick Mouratoglou

Foto von Patrick Mouratoglou