Paralympics Paris 2024: Von Markus Rehm bis zu Brasiliens ungeschlagenem Blindenfußball-Team - Überblick über die besten Para-Profis

Von Lena Smirnova
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A male athlete with a blade on his right leg jumps into the sandpit during a competition.
Foto von OIS/Simon Bruty

Paris 2024 ist für die Olympiasiegerinnen und Olympiasieger Leon Marchand, Zheng Qinwen, Antoine Dupont, Lee Kiefer, Cassandre Beaugrand und Simone Biles vorbei.

Nun sind Simone Barlaam, Diede de Groot, Ryley Batt, Bebe Vio, Alexis Hanquinquant und Markus Rehm an der Reihe.

Die Paralympischen Spiele Paris 2024 werden elf spektakuläre Tage mit 4.500 Athletinnen und Athleten in 22 Sportarten bieten.

Olympics.com stellt ihnen einige der Stars der Spiele vor.

Markus Rehm, Para-Leichtathletik - Dreifacher Olympiasieger mit Ambition

Der deutsche Para-Athlet Markus Rehm ist dreifacher Olympiasieger im Weitsprung und hat auch vor in Paris wieder ein Wörtchen mitzureden. Bei der Para-WM im Mai sprang der Prothesen-Springer mit 61 Zentimetern Vorsprung zu seinem siebten WM-Titel. Seit 2011 hat Rehm alle 15 Titel bei Welt- und Europameisterschaften sowie Paralympics gewonnen.

Doch der 35-jährige Weltrekordhalter hat noch einiges vor: „Die Ziele wurden immer nach oben gesteckt. Zuerst wollte ich in die Top 10 der ewigen Bestenliste. Und dann war ich das. Jetzt ist mein Ziel der beste Weitspringer zu sein.“ Seit 15 Jahren ist kein Weitspringer ohne Behinderung weiter gesprungen als Rehm. Doch seine Ambition ist höher und vor allem weiter.

Der Rekord vom US-Amerikaner Mike Powell von der WM 1991 liegt bei 8,95m. Die hat der Para-Rekordhalter im Blick.

Außerdem kann er im Hinblick auf Olympia-Titel mit dem Hallen-Weitsprung-Rekordhalter und der Sprint-Legende Carl Lewis gleichziehen. Die Bühne für einen potenziellen vierten Titel bietet Paris.

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PARIS, FRANCE - JULY 14: Markus Rehm of Germany competes in the Men's Long Jump T64 Final during day seven of the Para Athletics World Championships Paris 2023 at Stade Charlety on July 14, 2023 in Paris, France. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Foto von GETTY IMAGES

Alexis Hanquinquant, Para-Triathlon - Ein Held bei den Heimspielen

Der französische Para-Triathlet Alexis Hanquinquant war einer der drei Paralympioniken, die bei der Eröffnungsfeier am 26. Juli zu den letzten olympischen Fackelträgern gehörten. Am Ende ihrer Reise ging die Flamme an den französischen Judoka Teddy Riner und die zurückgetretene Sprinterin Marie-Jose Perec über, die das Feuer gemeinsam entzündeten.

Riner gewann bei den Spielen von Paris 2024 vor einem begeisterten Heimpublikum zwei Goldmedaillen. Im Rampenlicht steht nun Hanquinquant, der PTS4-Titelverteidiger bei den Herren. Er wird versuchen, den heimischen Fans im Herzen der Hauptstadt noch mehr Grund zum Jubeln zu geben.

Diede de Groot, Rollstuhltennis - Erbe einer goldenen niederländischen Geschichte

Für Diede de Groot wird jeder Ballwechsel auf dem Sandplatz von Roland-Garros ein vertrautes Gefühl sein. Das niederländische Tennis-Ass gewann fünf French-Open-Titel im Austragungsort von Paris 2024 und 18 weitere bei anderen Grand-Slam-Turnieren.

Als Siegerin von Tokio 2020 war de Groot vor Paris 2024 in 145 Matches ungeschlagen. Diese Erfolgsserie endete im Mai, doch in Wimbledon kehrte sie auf die Siegerstraße zurück. Nun will sie das Erbe ihrer niederländischen Vorgängerinnen fortsetzen. Ihre Landsfrauen haben seit der Aufnahme von Rollstuhltennis in das paralympische Programm 1988 jedes Rollstuhltennisturnier der Damen gewonnen.

Diede de Groot gewann im Vorfeld der Paralympischen Spiele Paris 2024 den sechsten Wimbledon-Titel ihrer Karriere.

Foto von Francois Nel/Getty Images

Sumit Antil, Para-Leichtathletik - Indiens Speerwurf-König

Sumit Antil muss man in Indien nicht vorstellen. Der 26-Jährige ist einer der bekanntesten Paralympioniken des Landes und kommt als Titelverteidiger bei den Paralympics und zweifacher Weltmeister im Speerwurf der Herren F64 nach Paris 2024.

In der französischen Hauptstadt will Antil nicht nur eine weitere paralympische Goldmedaille gewinnen, sondern auch seinen eigenen Weltrekord von 73,29 Metern brechen.

Oksana Masters, Para-Radsport - erfolgreich auf Wasser, Schnee und Asphalt

Kaum eine Sportlerin ist so vielseitig - und so erfolgreich - wie Oksana Masters aus den USA. Die sechsfache Paralympionikin hat 17 Medaillen in vier Sportarten gewonnen: Para-Rudern, Para-Skilanglauf, Para-Biathlon und Para-Radsport. Sieben davon sind Goldmedaillen, darunter die beiden Goldmedaillen, die sie in Tokio 2020 im Para-Radsport holte.

Masters hat in ihren 35 Jahren einen weiten Weg zurückgelegt - sie überlebte die radioaktive Strahlung nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl, wurde zur erfolgreichsten Winter-Paralympionikin der USA, Buchautorin und Fürsprecherin für Menschen mit Behinderung - und ist noch lange nicht am Ende.

Simone Barlaam, Para-Schwimmen - Adieu Leon, Ciao Simone!

Bei seinem goldenen Olympia-Debüt ließ Leon Marchand die Zuschauer in der Pariser La Défense-Arena lauter jubeln als bei einem Fußballspiel. Simone Barlaam wird dafür sorgen, dass dieser Jubel die 15.000 Zuschauer fassende Arena wieder erfüllt, wenn er am ersten Wettkampftag der Paralympics ins Becken springt.

Der italienische Schwimmer machte sich in der Sportwelt einen Namen, als er bei seinen ersten Paralympics 2021 vier Medaillen gewann, darunter Gold über 50 m Freistil der Herren S9. Doch das war erst der Anfang. Barlaams nächste Leistungen katapultierten ihn zum Superstar des Schwimmsports: Sechs Goldmedaillen und der zehnte Weltrekord seiner Karriere bei den Weltmeisterschaften 2022 sowie sechs weitere Weltmeistertitel im darauffolgenden Jahr.

Brasilien, Blindenfußball - Ungeschlagene Champions im schönen Spiel

Nur wenige Mannschaften sind bei den Paralympischen Spielen so erfolgreich wie das brasilianische Blindenfußball-Team.

Seit der Premiere der Sportart bei den Paralympics 2004 in Athen hat Brasilien bei jedem Turnier die Goldmedaille gewonnen. Dabei setzten sie sich gegen den großen Medaillenanwärter Argentinien durch, der mit Ausnahme von London 2012 mit seinem südamerikanischen Nachbarn auf allen Podien stand. Das Solo-Tor des Brasilianers Raimundo 'Nonato' Mendes, mit dem Brasilien seinen fünften paralympischen Titel gewann, war der perfekte Schlusspunkt, um die langjährigen Rivalen in Tokio 2020 zum Schweigen zu bringen... zumindest bis Paris 2024.

Sugiura Keiko, Para-Radsport - die alterslose Meisterin Japans

Wenn für die brasilianische Fußballmannschaft „Beständigkeit“ das Schlüsselwort ist, dann ist es für Sugiura Keiko „Langlebigkeit“.

Die Straßen- und Bahnradfahrerin wurde in Tokio 2020 die älteste japanische Athletin, die eine Goldmedaille gewann, als sie sich im Zeitfahren der Damen und im Straßenrennen C1-3 gegen die Konkurrenz durchsetzte. Die Heimspiele waren Sugiuras Paralympics-Debüt. Damals war sie fünfzig Jahre alt und möchte nun im Alter von 53 Jahren in Paris auf das Podium zurückkehren.

Ezra Frech, Para-Leichtathletik - Wunderkind schafft den Durchbruch

Am anderen Ende des Altersspektrums von Sugiura steht der US-Amerikaner Ezra Frech, der im Alter von elf Monaten seine erste Beinprothese erhielt und mit acht Jahren mit dem Para-Sport begann. Nachdem er als Zuschauer bei den Paralympics 2016 in Rio eine überwältigende Erfahrung gemacht hatte, versprach Frech, in Tokio 2020 an den Start zu gehen.

Er tat es und verpasste nur knapp das Podium im Hoch- und Weitsprung der Herren (T63).

Seitdem geht es stetig bergauf. Frech brach den Weltrekord und gewann bei den Weltmeisterschaften 2023 Gold im Hochsprung, bei den Weltmeisterschaften 2024 holte er Silber. Jetzt ist der 19-Jährige in Topform, um bei den Paralympics 2024 in Paris um den Titel zu kämpfen - und seinen Weltrekord zu verbessern.

Amalia Perez, Para-Gewichtheben - Kraft auf der Bank und Empowerment für Frauen

Drei Jahrzehnte, sechs paralympische Medaillen, viermal Gold. Die Para-Gewichtheberin Amalia Perez weiß, wie wichtig Zahlen sind, und die Zahlen ihrer sportlichen Biografie belegen das.

Die mexikanische Athletin hat seit der Einführung des Para-Gewichthebens der Damen in Sydney 2000 kein Podest bei den Paralympics verpasst. Nach einer perfekten Erfolgsserie bei ihren letzten vier Teilnahmen an den Spielen wird Perez nun bei ihren siebten Paralympics antreten - fast ein Vierteljahrhundert nach dem Gewinn ihrer ersten Paralympics-Medaille.

Perez ist nicht nur eine erfolgreiche Athletin, sondern auch eine Verfechterin des Frauensports und hat dazu beigetragen, dass das Para-Gewichtheben der Frauen weltweit an Bedeutung gewonnen hat.

Avani Lekhara, Para-Sportschießen - Indiens Geschichtsbücher im Visier

Die 19-jährige Avani Lekhara feierte mit ihrem Sieg im Wettbewerb 10 m Luftgewehr stehend SH1 der Damen (R2) in Tokio 2020 gleich zwei Meilensteine. Sie gewann die erste Goldmedaille für Indien bei diesen Spielen und wurde die erste Inderin in der Geschichte, die paralympisches Gold gewann. Eine zweite Medaille, Bronze im 50-Meter-Dreistellungskampf der Damen (R8), machte Tokio 2020 zu einem noch unvergesslicheren paralympischen Debüt.

Doch für Lekhara sind Medaillen nicht die wichtigsten Erfolge auf ihrem Weg. Sie begann mit dem Schießen als Sommerhobby drei Jahre nach einem Autounfall, der sie querschnittsgelähmt zurückließ, und verdankt dem Schießsport, dass sie sich von einem introvertierten, schüchternen Mädchen zu der selbstbewussten jungen Frau entwickelt hat, die sie heute ist.

David Smith, Boccia - Den Funken im Boccia entzünden

Boccia hat sich bei den Paralympischen Spielen Tokio 2020 zu einem echten Renner entwickelt, und der Brite David Smith ist mitverantwortlich dafür.

Der viermalige Paralympicssieger ist bekannt für seine enthusiastischen Feiern auf dem Spielfeld und seinen farbenfrohen Mohawk. Für Tokio 2020 färbte er ihn patriotisch rot-blau, für Rio 2016 blau und für London 2012 und Beijing 2008 rot.

Smiths Haare haben zwar häufig die Farbe gewechselt, sein Talent für den Sport hat sich jedoch nicht verändert. Bei jeder seiner Paralympics-Teilnahmen hat Smith eine Medaille gewonnen, darunter dreimal Gold. Die beiden Fragen, die es in Paris 2024 zu beantworten gilt, lauten: Welche Farbe wird seine Medaille - und seine Haarfarbe - diesmal haben?

Bebe Vio, Rollstuhlfechten - Der Phönix steigt über Paris auf

Beatrice „Bebe“ Vio ist eine der bekanntesten paralympischen Sportlerinnen, deren Ruhm weit über die Grenzen Italiens hinausreicht. Diejenigen, die ihre Goldmedaille in Rio 2016 und den anschließenden Medienrummel verpasst haben, werden die Geschichte der 27-Jährigen wahrscheinlich nicht vergessen, nachdem sie in der Netflix-Dokumentation Rising Phoenix einen Blick hinter die Kulissen ihres Lebens werfen konnten.

Der Film zeichnete den Weg von Vio und anderen Paralympioniken im Vorfeld von Tokio 2020 nach, wo Vio ihre zweite Goldmedaille in der Einzelkategorie B im Florett der Damen gewann. 2024 will sie in Paris ihre dritte Goldmedaille einfahren.

Birgit Skarstein, Para-Rudern - Tanzen und Rudern

Es gibt nur wenige Dinge, die Birgit Skarstein ausprobiert hat und bei denen sie gescheitert ist. Die Norwegerin ist Paralympicssiegerin und Weltmeisterin im PR1-Einer der Damen sowie Weltcupsiegerin im Para-Skilanglauf. Außerdem schaffte sie es bis ins Finale des Reality-TV-Tanzwettbewerbs Skal Vi Danse, obwohl sie keinerlei Tanzerfahrung hatte.

Ohne zu zögern wagte Skarstein die gewagtesten Tanzschritte und ließ sich sogar an Seilen von der Decke hängen.

Sollte in Paris 2024 ein Tanz auf dem Siegertreppchen nötig sein, wird Skarstein - die 2023 im Para-Rudern ungeschlagen blieb - bereit sein.

Sherif Osman, Para-Gewichtheben - Der Mann mit dem Plan

Der Ägypter Sherif Osman weiß, wie wichtig es ist, sich ehrgeizige Ziele zu setzen. Er sagte einmal, er wolle sechs paralympische Goldmedaillen gewinnen, und hat sich auch von Rückschlägen, darunter eine Silbermedaille in Tokio 2020, nicht von seinem Ziel abbringen lassen.

Derzeit hat er bei vier Paralympischen Spielen in zwei Gewichtsklassen drei Goldmedaillen gewonnen. Als anerkannte Persönlichkeit in der Welt des Para-Gewichthebens und als Mentor für aufstrebende Athletinnen und Athleten wird er von seinen paralympischen Kolleginnen und Kollegen lautstark gefeiert werden, sollte es Osman gelingen, seinem Karriereziel eine Goldmedaille näher zu kommen.

Omara Durand, Para-Leichtathletik - Kubas Sprintkönigin auf der Jagd nach eigenen Weltrekorden

Man muss lange suchen, um herauszufinden, wann Omara Durand das letzte Mal ein paralympisches Rennen verloren hat. Die kubanische Sprinterin war seit ihrem von Verletzungen geprägten Paralympics-Debüt in Beijing 2008 bei allen Paralympics und Weltmeisterschaften nicht zu schlagen.

Ihre aktuelle Medaillenbilanz beläuft sich auf acht Goldmedaillen, darunter Dreifach-Gold über 100 m, 200 m und 400 m in Rio 2016 und Tokio 2020. In Paris 2024 wird Durand versuchen, auf ihren Paradestrecken erneut zu triumphieren und ihre aktuellen Weltrekorde in diesen Disziplinen zu verbessern.

Australien, Mixed-Rollstuhlrugby-Team - Comeback nach unterbrochener Erfolgsserie

Eine Sportart, die den Spitznamen „Mörderball“ trägt, bringt unweigerlich schmerzhafte Momente mit sich. Doch wie das erfahrene australische Rollstuhlrugby-Team bei Tokio 2020 feststellen musste, war die körperliche Härte der Spiele nicht das Schlimmste, was ihnen passieren konnte.

Nach der 60:52-Niederlage gegen Japan im Spiel um Platz drei standen die Australierinnen und Australier zum ersten Mal seit Athen 2004 nicht auf dem paralympischen Treppchen. Etwas mehr als ein Jahr später trat das Team jedoch bei den Weltmeisterschaften 2022 wieder an und gewann das Turnier souverän. Dies weckte neue Hoffnungen auf eine Renaissance in Frankreich mit dem fünffachen Paralympioniken und Sportikone Ryley Batt an der Spitze.

Hug gewann in Tokio 2020 vier Goldmedaillen, unter anderem im T54-Marathon der Herren.

Foto von Buda Mendes/Getty Images

Marcel Hug, Para-Leichtathletik - „The Silver Bullet“ auf Goldkurs

Die Regentropfen prasselten auf seinen silbernen Helm, die Konkurrenz war weit und breit nicht zu sehen: Am letzten Tag der Paralympics Tokio 2020 raste Marcel Hug im Marathon T54 der Herren zu seiner zweiten Goldmedaille in Folge. Es war die letzte Medaille in einer perfekten Serie von vier Siegen für den Schweizer Rollstuhlfahrer in Japan. Seither hat er nicht mehr aufgehört.

Knapp drei Monate später brach Hug, ebenfalls in Japan, den 22 Jahre alten Weltrekord im Marathon der Herren. Damit ergänzte er seine Weltrekorde im Halbmarathon, über 10.000 und 1.500 Meter sowie seine Streckenrekorde bei mehreren großen Marathonläufen.

Gibt es noch etwas, das der Mann, der in der ganzen Welt als die „The Silver Bullet“ verehrt wird, erreichen möchte? Ja, sagt er, sein Vermächtnis für Paris 2024 festigen... und E-Gitarre spielen lernen.