Paralympics Paris 2024: 60-jähriger Thomas Wandschneider greift nach Bronze im Para-Badminton und schlief dafür sechs Jahre im Auto

Von Andreas Kloo
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Thomas Wandschneider Doubles Paris 2024
Foto von GETTY IMAGES

Das französische Publikum feierte Thomas Wandschneider nach der deutlichen Halbfinal-Niederlage gegen den Chinesen Mo Qu Zi wie einen Medaillengewinner.

Aber ein Match muss der 60-jährige Wandschneider noch siegreich bestreiten, um wirklich am Ziel einer langen Reise anzukommen.

Einer Reise, auf der er viele Opfer bringen musste.

„Der Preis ist hoch. Ich habe keine Zeit für meine Familie, ich bin nur am Trainieren und das ist sehr hart“, sagte er nach dem Sieg am Samstag gegen Tong Yang (CHN).

Wandschneider trainiert am Olympia-Stützpunkt Hannover, nur am Wochenende ist er in Lindhorst im Landkreis Schaumburg. Von Sonntagabend bis Freitagabend schläft er in Hannover in einem umgebauten Kastenwagen.

„Am Montag um 8:30 Uhr beginne ich mit dem Training und höre um 17 Uhr manchmal auch 19 oder 20 Uhr auf. Am Freitag, wenn ich fertig bin, fahre ich nach Hause, am Sonntag geht es wieder zum Training“, schildert er seinen gewöhnlichen Ablauf im Alltag.

„Das mache ich so seit fast sechs Jahren. 80 Prozent meines Lebens verbringe ich im Auto. Das ist eigentlich ziemlich verrückt, aber ich habe ein Ziel – ich will eine Medaille bei den Paralympics – und jetzt ist es möglich.“

Tatsächlich darf er sich trotz der klaren Niederlage im Halbfinale im Match um Bronze Chancen ausrechnen.

Am Montag (2. September) geht es gegen Jaegun Jeong (KOR), der Altersunterschied beträgt diesmal nur 13 Jahre.

Und Wandschneider verfügt ja ohnehin über die Werte eines 40-Jährigen, wie er berichtete.

Lesen Sie weiter und erfahren Sie, was Wandschneider im Falle eines Medaillengewinnes seiner Familie sagen wird.

Medaille oder Entschuldigung bei Familie

Sollte er sich tatsächlich die Bronzemedaille sichern, könnte er guten Gewissens seiner Familie, seiner Frau, den vier Kindern und zwei Enkelkindern entgegentreten.

"Ich habe fast nie Zeit für meine Familie. Wenn ich eine Medaille bei den Paralympics gewinne, werde ich sagen: 'Mein Weg war richtig.' Wenn ich keine Medaille gewinne, werde ich sagen: 'Vier Jahre lang keine Zeit für meine Familie, meine Frau und alles. Sorry, sorry, sorry, aber ich wollte eine Medaille."

Eigentlich dachte Wandschneider vor ein paar Jahren schon ans Aufhören. Doch dann erfuhr er, dass Para-Badminton bei Tokio 2020 ins Programm aufgenommen wird.

Der Norddeutsche ist seit einem Autounfall im Jahr 2000 querschnittsgelähmt und wandte sich danach schnell dem Para-Badminton zu. Von 2006 an dominierte er die Szene in Europa, gewann bei Europameisterschaften stets Gold im Einzel und im Doppel, manchmal auch noch im Mixed.

Eine Medaille bei den Paralympics würde seine Laufbahn krönen. In Tokio belegte er die Ränge fünf (Doppel) und sieben (Einzel).

Wenn es diesmal tatsächlich zum erhofften Edelmetall reichen sollte, hat auch das französische Publikum seinen Anteil daran. Die Herzen der Zuschauer hat er dank seiner kämpferischen Einstellung und seines respektvollen Auftretens längst erobert.

Im Halbfinale gegen Mo Qu Zi pushten sie ihn im zweiten Satz gegen den überlegenen Chinesen zu fünf Punkten in Folge. Mehrfach zeigte Wandschneider die Faust.

Bleibt zu hoffen, dass er diese auch im Spiel um Bronze oft zeigen kann. Der Familienfrieden wäre dann gerettet.