Handball bei Paris 2024: Renars Uscins - der Olympia-Held, der die Karriere seines Idols beendete

Von Andreas Kloo
3 min|
Renars Uscins Tor Frankreich
Foto von 2024 Getty Images

Eigentlich war die Partie aus deutscher Sicht schon verloren. Sechs Sekunden waren noch zu spielen. Gerade erst hatte Renars Uscins per Siebenmeter zum 28:29 getroffen.

Aber nun hatte Frankreich den Ball und würde gleich locker die Uhr runterspielen.

In den meisten aller Fälle ist das jedenfalls so. Doch die deutsche Mannschaft wollte sich nicht geschlagen geben. Julian Köster fing den Pass von Dika Mem ab und schickte Uscins auf die Reise, der in der Schlusssekunde zum 29:29 ausglich.

Der Torschütze riss sich vor Freude das Trikot vom Feld und ließ sich von seinen Mitspielern feiern.

„Dieser Moment war voller Emotionen. Ich musste sie rauslassen. Und dann hatte ich fünf Minuten, um runterzukommen und mich wieder neu zu fokussieren.“

Es war mit Sicherheit der wichtigste Treffer in der Karriere des 22-Jährigen. Er ermöglichte Deutschland die Verlängerung, in der das Team von Trainer Alfred Gislason die Franzosen niederrang und nach einem 35:34 nach Verlängerung ins Halbfinale einzog.

„Ich habe versucht, Druck auszuüben, habe aber nicht gesehen, wo er den Ball hingespielt hat.“

„Dann habe ich mich umgedreht und gesehen, dass wir den Ball haben, also bin ich sofort Richtung französisches Tor gesprintet, habe versucht den Ball zu fangen und zu treffen. Das hat geklappt und wir haben den Flow in die Verlängerung mitgenommen“, erklärte der Linkshänder, wie ihm der Treffer gelungen ist.

„Das ist Handball, deshalb lieben wir es, zuzuschauen, deshalb lieben wir Spieler es zu spielen. Jetzt haben wir noch zwei weitere Spiele“, lautete Uscins Fazit.

Der Moment nach dem Schlusspfiff: Uscins lässt sich von seinen Teamkollegen für die Heldentaten im Olympischen Viertelfinale gegen Frankreich feiern

Foto von 2024 Getty Images

Uscins sucht das Gespräch mit Karabatic

Überragende 14 Tore erzielte er gegen den Gastgeber. Die Hexenkessel-Atmosphäre, für die die französischen Fans sorgten, hielt ihn nicht auf.

Und trotzdem konnte sich Uscins nicht hundertprozentig freuen.

Denn durch den deutschen Erfolg und das französische Ausscheiden, war auch klar, dass die Karriere des wohl besten Handballers aller Zeiten zu Ende ist.

Nikola Karabatic hatte angekündigt, dass er seine Laufbahn nach Paris 2024 beenden werde.

Er erhielt Standing Ovations, auch die deutschen Spieler standen Spalier und klatschten. In diesem Moment plagte Uscins das schlechte Gewissen.

„Es fühlt sich bisschen schlecht an, weil ich ihn schon als Kind im Fernsehen gesehen habe.“

Und das schlechte Gewissen wollte er nicht auf sich sitzen lassen.

„Ich bin zu ihm hingegangen und habe ihm gesagt, dass er eines meiner größten Vorbilder im Handball war und dass ich als Junge alle seine Spiele angeschaut habe.“

Neben seinem Vater, dem lettischen Nationalspieler Armands Uscins, trug auch Karabatic entscheidend dazu bei, dass sich Renars Uscins voll und ganz dem Handball verschrieb.

„Vor zehn Jahren habe ich beschlossen, dass ich auch auf einem großen Feld stehen will und gegen die besten Spieler spielen will. Jetzt bin ich hier und versuche, es zu genießen.“

Uscins ging als Jugendlicher auf die Sportschule in Magdeburg. Über Magdeburg ging es nach Hannover.

Er durchlief die Jugend-Nationalmannschaften und führte das deutsche U21-Team 2023 zum WM-Titel.

Im Januar berief ihn Gislason in den Kader für die Heim-EM, bei der Olympia-Qualifikation im März war er bereits einer der auffälligsten deutschen Spieler.

Im Viertelfinale bei den Olympischen Spielen Paris 2024 gegen Frankreich wurde er nun endgültig zum großen Helden.

Ein Held mit ein bisschen schlechtem Gewissen.