„Einmal mehr als Papa“: Wie sich Rio-Held Andreas Toba Richtung vierte Olympische Spiele kämpfte
Valeri Belenki bereitet derzeit die Verletzung seines besten Mannes Kopfzerbrechen. Aktuell ist fraglich, ob der Herren-Bundestrainer bei den Turn-Wettkämpfen von Paris 2024 auf Lukas Dauser bauen kann.
MEHR LESEN: Lukas Dauser bangt um Paris 2024
Auf einen Mann kann er sich aber verlassen, wenn es um die konkrete Aufstellung des Teams geht: Andreas Toba.
„Ich stelle mich in den Dienst der Mannschaft. Wenn das gewünscht ist, dass ich Mehrkampf turne, dann turne ich Mehrkampf. Ich möchte das beste, was ich für die Mannschaft tun kann, machen“, versprach der dreifache Olympia-Teilnehmer.
Da war er wieder der Teamplayer Andreas Toba, der die persönlichen Belange notfalls hintenanstellt.
Durch diese Eigenschaft wurde er bei den Olympischen Spielen in Rio 2016 über Nacht zum Helden. In der Qualifikation hatte er sich bei der Bodenübung das Kreuzband gerissen.
Aber anstatt sich in die Klinik fahren zu lassen, absolvierte der Hannoveraner unter Schmerzen seine Übung am Pauschenpferd. Dadurch sicherte er der deutschen Mannschaft die entscheidenden Punkte für den Einzug ins Finale.
Acht Jahre sind seit diesem heldenhaften Moment vergangen. Und Toba turnt immer noch.
Der 33-Jährige steht nach der erfolgreich bestrittenen Olympia-Qualifikation Gerätturnen in Rüsselsheim kurz vor seinen vierten Olympischen Spielen. Er erreicht damit ein Ziel, das er sich schon in der Kindheit vorgenommen hat.
„Ich habe bislang bei jeden Olympischen Spielen gesagt: Ein Traum geht für mich in Erfüllung. Tatsächlich ist es das, was ich mir immer von klein auf gewünscht habe, dass ich’s schaffe einmal mehr zu den Spielen zu fahren als Papa, der mein Vorbild ist“, sagte er nach dem Wettkampf in Rüsselsheim im Gespräch mit Olympics.com.
Sein Vater Marius Toba kann drei Olympia-Teilnahmen vorweisen: In Seoul 1988 für Rumänien, in Atlanta 1996 und Sydney 2000 für Deutschland.
Kreuzbandanriss bei WM 2023
Um seinen Vater zu übertrumpfen, musste er aber erst eine schlimme Leidenszeit überstehen. Im Podiumstraining bei der WM in Antwerpen im vergangenen Jahr verletzte sich Toba erneut am 2016 gerissenen Kreuzband.
Das Warten auf die genaue Diagnose war für ihn eine Qual. Er wusste: Bei einem zweiten Kreuzbandriss wird er den Traum von der vierten Olympia-Teilnahme abhaken müssen.
Nach Tagen der Ungewissheit erfuhr er, dass das Kreuzband zumindest nur angerissen sei. Die Chance auf Paris 2024 bestand noch.
Aber würde er auch fit werden und die Qualifikation schaffen?
Wie kräftezehrend die Tage im Herbst 2023 für ihn waren, ließ er auf Instagram erahnen: "Die Narben, die in der Seele hinterlassen werden, sind von außen nicht sichtbar und gerade jetzt in der wahrscheinlich schwierigsten Situation meines Lebens, gibt es wenig Licht am Horizont, das einzig positive gerade ist, dass die Verletzung nicht noch schlimmer ist", schrieb er damals.
Toba kämpft sich zurück
Noch einmal musste sich der 33-Jährige zurückkämpfen, wie schon 2016/2017. Damals gelang es ihm. Toba feierte nach den Olympischen Spielen von Rio noch einige Erfolge. Unter anderem gewann er 2021 EM-Silber am Reck.
Auch diesmal wurde die Kämpfernatur in ihm erweckt. Im März dieses Jahres feierte er sein Comeback bei einem Turn-Wettbewerb.
Bei den Deutschen Meisterschaften am 10. Juni in Frankfurt/Main war er wieder der Alte und überzeugte mit einem zweiten Platz im Mehrkampf.
In Rüsselsheim bei der Olympia-Qualifikation glänzte er am Reck mit 14.275 Punkten. Die Erleichterung war ihm anzusehen. Nach dem Abgang ballte er die Fäuste und schrie seine Freude heraus.
Es war klar, das Olympia-Ticket dürfte ihm dadurch nicht mehr zu nehmen sein. Tags darauf folgte die Bestätigung. Bundestrainer Valeri Belenki schlug Toba zur offiziellen Nominierung für die Olympischen Spiele Paris 2024 durch den DOSB vor.
Da die Nationalen Olympischen Komitees die ausschließliche Zuständigkeit für die Vertretung ihrer jeweiligen Teams bei den Olympischen Spielen haben, hängt die Teilnahme der Athletinnen und Athleten an Paris 2024 davon ab, dass ihr NOK sie als Vertretende ihrer Delegation auswählen.
„Es erfüllt mich mit einer großen Ehre und sehr viel Dankbarkeit, dass ich diese Möglichkeit nochmal erreicht habe“, sagte der erfahrene Turner überglücklich bei Olympics.com.
Toba hat seinen Kampf im Zeichen der Olympischen Ringe, bei dem er sich zuletzt auch noch mit Achillessehnenproblemen herumplagen musste, erfolgreich vollendet.
„Das ganze letzte Jahr, die Verletzung war sehr, sehr harte Arbeit“, blickte er auf diesen Kampf zurück. „Ich bin einfach nur dankbar, dass ich die Arbeit wiederaufnehmen konnte.“
Toba darf in Paris aller Voraussicht nach noch einmal einen sportlichen Höhepunkt erleben – womöglich den letzten seiner Karriere.
Einen Rücktritt nach den Spielen schloss er jedenfalls nicht aus: „Ich werde alles Revue passieren lassen und überlegen, was sinnvoll ist und was nicht.“