Ein leiser Abschied oder doch nur ein "Auf Wiedersehen"? Rafael Nadals beeindruckende Zahlen bei den French Open
*Eine englischsprachige Version des Artikels wurde erstmal 2021 veröffentlicht und 2022 nach Rafael Nadals 14. French Open-Sieg überarbeitet.*
Rafael Nadal ist der unbestreitbare „König des Sandplatzes“. 63 ATP-Titel auf Sand sind einsamer Rekord, seine Serien (zwischen 2005-2007 gelangen 81 Siege auf Sand in Serie, 2017 und 2018 legte er 50 ununterbrochene Satzerfolge auf Sand nach) sind schlichtweg legendär.
Fraglos hat der "Mythos Nadal" in erster Linie mit seinen unvergleichlichen Leistungen bei den French Open zu tun. Nicht umsonst gehörte dem 36-Jährigen am Montag die ganze Aufmerksamkeit des Publikums in Roland Garros, zugleich aber auch der gesamten Sportwelt.
So eben hatte Alexander Zverev die wohl herausfordernste Erstrunden-Aufgaben, die er seit seinem Einzug in die Weltspitze bewältigen musste, erfolgreich hinter sich gebracht. Er besiegte Rafael Nadal in drei Sätzen und doch - Nadal wurde gefeiert, als sei er es gewesen, der die Nummer vier der Welt so eben in die Schranken gewiesen hätte.
Selbst Zverev, ein unglaublich fairer Sieger an diesem Tag, sagte: "Es ist nicht mein Moment, das ist Rafa's Moment. Danke für Alles!"
Und das hat Gründe. Noch nie drückte ein Tennis-Spieler einem Grand Slam-Turnier einen derartigen Stempel auf, wie es Nadal in den letzten 20 Jahren bei den French Open tat.
14 Triumphe bei den French Open - 112 Siege
14 Mal hat Nadal den "Coupe de Mousquetaires", den Pokal der French Open auf dem Court Philippe-Chatrier - dem Finalplatz - erhalten.
Noch nie gewann ein Tennisspieler, oder eine Tennisspielerin derart viele Trophäen bei einem der vier großen Turniere, den Grand Slams, seit Beginn der "Open-Ära" Ende der 1960er Jahre.
Novak Djokovic gewann zehnmal die Australian Open, Martina Navratilova gewann neunmal in Wimbledon, Roger Federer triumphierte achtmal im All England Lawn Tennis and Croquet Club, und Serena Williams' sieben Siege sowohl in Australien als auch in Wimbledon kommen Nadals Fabel-Bilanz noch am nächsten.
Und doch sind sie weit entfernt von der schieren Dominanz, die der "Stier aus Manacor" bei seinem Lieblingsturnier an den Tag legte.
Das Sammeln der 14 Trophäen brachte unglaubliche 112 Siege. Dem gegenüber stehen nun vier Niederlagen. Jene gegen Zverev, in der vierten Runde 2009 gegen den Schweden Robin Söderling sowie im Viertelfinale 2015 und im Halbfinale 2021 jeweils gegen Djokovic. EInmal zog er sich vor einem Match verletzungsbedingt zurück, das war vor seinem Drittrundenspiel 2016.
Schon früh spielten Verletzungen eine Rolle in Nadals Karriere. Im Jahr 2004 zwang ein solcher Rückschlag den damals 18-Jährigen sein French-Open-Debüt abzusagen. Ein Jahr später, als er sein erstes Match in Paris bestritt, war er schon einer der Turnierfavoriten. Zuvor hatte er die Vorbereitungs-Wettkämpfe in Monte Carlo, Barcelona und Rom gewonnen.
Alle redeten über ihn“, erinnert sich sein damals erster French-Open-Gegner, Lars Burgsmuller im einem Interview im gegenüber USA TODAY im Jahr 2015. „Er war auf dem Weg an die Spitze. Jeder wusste, dass er sehr, sehr gut sein würde.“
Ein Blick hinter die unglaubliche Dominanz Nadals
Lars Burgsmuller und Co. sollten ein feines Gespür beweisen. Nadal war nicht nur "sehr, sehr gut", er war schlicht grandios. Besonders in seinem Wohnzimmer, in Roland Garros.
Es kam selten vor, dass er bei 112 Siegen in die Enge getrieben wurde. Von nun 370 gespielten Sätzen gewann der Spanier unglaubliche 333, dem gegenüber stehen 37 Satzverluste. Eine Bilanz von genau 90 Prozent gewonnener Sätze.
Im Jahr 2020 gelang Nadal das Kunststück in den sieben Spielen auf dem Weg zum 13. French Open-Triumph keinen einzigen Satz zu verlieren, auch nicht im Finale gegen Novak Djokovic.
Nur dreimal musste Nadal überhaupt in ein Fünfsatz-Match. Bei einem Sieg nach einem Rückstand gegen den Amerikaner John Isner in der ersten Runde im Jahr 2011, beim Halbfinale gegen Djokovic im Jahr 2013 (Nadal siegte mit 6:4, 3:6, 6:1, 6:7 (3:7) und 9:7 und in der vierten Runde 2022 gegen den Kanadier Félix Auger-Aliassime, das er auf dem Weg zum 14. Turnierssieg aber auch gewann.
Weitere Höhepunkte der Nadal-Ära in Paris findet man zuhauf. 2008 gewann er das Turnier zum ersten Mal ohne Satzverlust und gab dabei lediglich 41 Spiele ab. Das entspricht einem Schnitt von nicht einmal sechs Spielen pro Partie - und das wohlgemerkt bei Fünf-Satz-Matches!
Auch 2010, 2017 und im bereits erwähnten Jahr 2020 gab er keinen Satz ab. 2022 verlor er nur 35 Spiele in sieben Spielen (allerdings musste Pablo Carreño Busta im Viertelfinale nach nur einem gespielten Satz verletzungsbedingt aufgeben). Fast schon legendär sein Auftritt im 2020er-Finale gegen einen Djokovic in Höchstform: 6:0, 6:2, 7:5.
Das sind allesamt Zahlen, die einen Eindruck davon machen, welchen Stellenwert Nadal für dieses traditionsreiche Turnier, aber auch die Tenniswelt im Allgemeinen, hinterlassen hat. Auch die Art und Weise, wie der Spanier dominiert hat, ist einzigartig. Zwischen 2005 und 2008, 2010 und 2014 sowie 2017 und 2020 war einfach kein Vorbeikommen an Nadal. Seit seiner der ersten Teilnahme 2005 bis zum Start der 2024er-Ausgabe gab es nur drei Spieler, die die Phalanx überhaupt durchbrechen konnten.
Roger Federer, der 2009 triumphierte, Stan Wawrinka (Sieger 2015) und Novak Djokovic (2016, 2021 sowie 2023) sind die einzigen Athleten, die die French Open in der Nadal-Ära gewinnen konnten.
Und wer trotz dieser ganzen Zahlen noch einen Beweis brauchte, wie sehr das französische Publikum seinen spanischen Helden über all die Jahre ins Herz geschlossen hat, der dürfte spätestens nach dem Spiel gegen Alexander Zverev überzeugt sein.
Diese besonderen Minuten hätten sicher das Zeug, als emotional perfekter - wenn auch sportlich nicht ganz runder - Abschluss einer besondere French-Open-Karriere zu fungieren. Doch Rafael Nadal selbst, tat sich schwer diesen Moment als Ende zu titulieren.
Also ein leiser Abschied von den French Open oder noch nur ein "Auf Wiedersehen"? Fest steht derweil eins: Sollte der spanische Tennis-Gigant im Sommer fit genug sein, dann dürfte ein weiterer Auftritt in Roland Garros möglich sein. Dann allerdings im Rahmen der Olympischen Spiele von Paris 2024.