Talant Dujshebaev, Trainer von Kielce: Wie trainiert ein erfolgreiches Handballteam?

Talant Dujshebaev ist nicht nur eine Handballlegende, sondern auch einer der weltweit erfolgreichsten Trainer. Er sprach mit Olympics.com darüber, wie es ist, seine eigenen Söhne, Alex und Dani für das bevorstehende Final Four der EHF Champions League zu trainieren. Dujshebaev gibt einen Einblick darüber, wie er seine Mannschaft täglich motiviert und trainiert.

9 minVon Marta Martín
Headcoach Talant Dujshebaev of Kielce lifts the trophy after winning the EHF Champions League Final against MKB Veszprem on May 29, 2016
(2016 Getty Images)

Das EHF Champions League Final Four 2023 wird dieses Wochenende, vom 17. bis 18. Juni, in Köln stattfinden. Die vier stärksten Handballteams aus Europa werden um den begehrten Champions-League-Titel kämpfen: Magdeburg (Deutschland), Barcelona (Spanien), Paris Saint-Germain (Frankreich) und Kielce (Polen). Einige der international besten Spieler werden auf dem Spielfeld der Lanxess Arena in Köln messen, dazu zählen Ludovic Fabregas, Kay Smits, Luka Karabatic und Alex Dujshebaev.

Ein erfolgreiches Handballteam wird abseits des Spielfeldes geformt. Besonders im Handball ist die Spielstrategie entscheidend. Die polnische Herren-Mannschaft Al Kielce hat einen erfolgreichen Trainer an ihrer Seite, der den Sport sowohl auf dem Spielfeld als auch an der Seitenlinie in- und auswendig kennt: Talant Dujshebaev.

Als Handballspieler nahm Dujshebaev an vier Olympischen Spielen teil und gewann drei Olympische Medaillen (Gold in Barcelona 1992 mit dem Unified Team, zwei Bronzemedaillen mit Spanien in Atlanta 1996 und Sydney 2000). Bei den Spielen 2004 in Athen erreichte er mit der spanischen Mannschaft den siebten Platz. Dujshebaev gewann auch den Weltmeistertitel im Handball 1993 (mit Russland) und drei EM-Bronzemedaillen mit Spanien.

Dujshabaev verfügt über eine lange Liste an Erfolgen, wie ein gewonnener Champions-League-Titel, der erste Platz beim EHF-Pokal und vier spanische Meistertitel (ASOBAL). Aus diesen und weiteren Gründen gilt Dujshebaev als einer der besten Spieler der Handballgeschichte.

In seiner ersten Saison als Trainer (2005/06) führte er in die spanische Handballmannschaft Ciudad Real direkt zum Champions-League-Titel. Er bewies von Anfang an seine Qualitäten als Trainer und erzielte mit verschiedenen Handballmannschaften drei spanische Meistertitel und vier Champions-League-Titel. Zuletzt gewann Dujshabaev die Champions-League 2015/2016 mit dem Handballteam Kielce aus Polen, bei dem bis heute seine beiden Söhne Alex und Dani Dujshebaev unter seiner Führung spielen.

Für das Final Four 2023 wird Dujshebaev versuchen, den Champions-League-Titel erneut mit Team KielceKielce und seinen beiden Söhnen zu gewinnen. Dujshebaev sprach mit Olympics.com über seine aktuellen Trainingsmethoden, wie es ist, seine eigenen Söhne zu trainieren und was die Olympischen Spiele für den Handballsport bedeuten.

Eine typische Trainingswoche mit Trainer Talant Dujshebaev  

Der Höhepunkt der Saison steht kurz bevor – das Halbfinale und Finale der Champions League.

„Eine Woche vor dem Final Four verdoppeln wir die Trainingseinheiten, mit einem Mikrozyklus zu Beginn der Woche, gefolgt von zwei Testspielen", sagte Dujshebaev.

Eine typische Champions-League-Final-Four-Woche sieht für Team Kielce so aus:

  • Montag: Langes körperliches und taktisches Training
  • Dienstag und Mittwoch: Kürzeres, intensiveres körperliches und taktisches Training
  • Donnerstag: Anreise und eine kurze Trainingseinheit (nur Technik), ohne Training im Fitnessstudio
  • Freitag: „In Deutschland wird es sowohl am Donnerstag als auch am Freitag reines Techniktraining [Reduzierung des körperlichen Trainings] sein, damit sich niemand im letzten Moment verletzt.“ Eine kurze Trainingseinheit (nur technisch) und keine Trainingseinheit im Fitnessstudio sind eingeplant.
  • Samstag: ein Spiel mit anschließender Videoanalyse des gegnerischen Teams, keine Trainingseinheit im Fitnessstudio
  • Sonntag: ein Spiel mit anschließender Videoanalyse des gegnerischen Teams, keine Trainingseinheit im Fitnessstudio

Die Bedeutung von Ruhe und körperlicher Vorbereitung im Handball

„Ruhe ist sehr wichtig, vor allem mental“, sagt Talant Dujshebaev. „Seit ich Trainer bin, habe ich immer gesagt, dass die Spieler einen Tag in der Woche freihaben müssen, egal gegen wen wir spielen, ob es die Weltmeisterschaft, die Champions League, die Liga ist … Das ist egal. Sie müssen einen Tag frei sein.“  In der Woche des Final Four wird der freie Tag normalerweise genutzt, um nach Deutschland zu reisen.

Dujshebaev bezieht dem Training von Kielce einen spezialisierten Fitnesstrainer mit ein: „Er entwickelt konkrete Pläne, abhängig von der mentalen und physischen Belastung durch die bevorstehenden Spiele und die Reisen, die wir unternehmen müssen.“

„Es gibt zum Beispiel Wochen, in denen einige Spieler von Trainingslagern oder Spielen für die Nationalmannschaft zurückkehren, während andere das nicht tun. Abhängig von diesen Faktoren bereitet er ihre spezifischen Pläne vor, und jeder Spieler arbeitet auf andere Weise an seinem Körper. Das Wichtigste ist, dass die Gruppe für die wichtigen Termine bestens aufgestellt ist.“

Angesichts dessen gibt es an den beiden Tagen vor den wichtigen Spielen keine Trainingseinheiten im Fitnessstudio. „Wir machen ein präventives Warm-up und der Fitnesstrainer führt es immer durch. Die erste Hälfte dieser Trainingseinheiten liegt in seiner Verantwortung und dann arbeiten wir nach dem Aufwärmen 45 Minuten lang an der Taktik.“

Die Analyse des gegnerischen Handballteams ist entscheidend

Für Dujshebaev ist die Videoanalyse des gegnerischen Teams ein wichtiger Teil der Vorbereitung auf ein Spiel. Für das Final Four plante er die Videobesprechung bereits zwei Wochen vor dem Spiel als Trainingseinheit ein. „Natürlich kann man sich in diesen Wochen das gleiche Video noch einmal ansehen, aber wir halten auch spezifischere Videosichtungen ab – an einem Tag schauen wir mehr auf die Verteidigung, an einem anderen auf den Angriff und so weiter.“

Setzt Dujshebaev auf innovative Trainingsmethoden?

Während der Saisonvorbereitung nimmt das Team an anderen sportlichen Aktivitäten außerhalb des Handballfeldes teil, wie Kajakfahren auf einem Fluss. Im Mittelpunkt steht dabei nicht das körperliche Training, sondern das Teambuilding. Abgesehen von diesen Aktivitäten erklärt Dujshebaev, dass sie in ihrem Training nichts Außergewöhnliches tun.

„Alles, was wir tun, ist darauf ausgerichtet, die körperliche Verfassung und die technisch-taktischen Leistungen der Spieler in der Welt des Handballs zu verbessern“, sagt er.

Dujshebaev verfügt über ein Hilfsmittel, was laut ihm, immer funktioniert. „Die beste Innovation ist, dass wenn etwas schiefläuft, man den Jungs mehr Liebe entgegenbringt. In diesem Moment musst du ihnen mehr Liebe entgegenbringen.“

Was braucht eine erfolgreiche Handballmannschaft?

„Die beste Mannschaft ist diejenige, die weiß, wie man sich anpasst und in allen Bereichen [des Spiels] über einen Plan B und C verfügt. Oft machen wir Fehler und bereiten unsere Spieler besser oder schlechter vor, aber wir wachsen auch gemeinsam daran“, sagte Dujshebaev.

Während ein Team besonders Anpassungsfähigkeit benötigt, erklärte Dujshebaev, dass der einzelne Spieler über weitere Qualitäten verfügen sollte.

„Der beste Spieler versteckt sich nie in schwierigen Momenten“, sagt er.

„Ich habe Spieler getroffen, die beeindruckend waren, aber wenn es nicht gut lief, haben sie nicht zusammengearbeitet, und deshalb werden sie meiner Meinung nach nie die Größten sein. Dann habe ich andere getroffen, die vielleicht gut oder schlecht spielen, aber im entscheidenden Moment immer da waren. Sie waren immer bereit.“

„Das ist es, was ich am meisten schätze. Es kann jemand sein, der verspielt ist, oder jemand, der weniger verspielt ist; ein selbstbewussterer Spieler oder jemand, der talentierter ist … Aber diese Spieler sind immer da. Sie können ein oder zwei Fehler machen, aber in dem Moment, in dem es darauf ankommt, behalten sie immer eine Genauigkeit von 99 Prozent bei, und das sind für mich die Größten in der Geschichte.“

Wie ist es, als Vater seine eigenen Söhne zu trainieren?

Es besteht kein Zweifel an den Fähigkeiten von Talant Dujshebaev als Spieler und Trainer, aber etwas anderes unterscheidet ihn von der überwiegenden Mehrheit der Trainer: Er trainiert täglich mit seinen beiden Söhne Alex und Dani Dujshebaev. Ist es ein Fluch oder Segen, mit der Familie auf professioneller Ebene zusammenzuarbeiten?

„Die Leute haben mir diese Frage schon oft gestellt und sie ist schwierig und gleichzeitig sehr einfach zu beantworten. Es ist hart, weil sie immer noch deine Kinder sind, und einfach, weil ich, wie ich immer sage, versuche, meine Spieler so zu behandeln, als wären sie meine eigene Familie. Deshalb ist es für mich nicht seltsam oder schwierig, meinen Kindern gegenüber genauso anspruchsvoll zu sein wie gegenüber den anderen Spielern, weil ich alle meine Spieler mit Liebe behandle. Im Team habe ich also nicht zwei Kinder, sondern 18 oder 20 Kinder.“

Obwohl es viele Vergleiche zwischen dem Spielstil von Vater Dujshebaev und seinem ältesten Sohn Alex gibt, glaubt Talant, dass die Ähnlichkeit nicht so groß ist, wie die Leute sagen.

„Ich denke, Alex ist taktisch viel besser vorbereitet als ich. Da bin ich mir sehr sicher. Er verfügt über individuelle technisch-taktische Fähigkeiten, die meinen überlegen sind. Dani ist ganz anders – er ist größer und hat andere Eigenschaften. Dani ist ein viel besserer Verteidiger als wir beide, daher ist es für mich einfacher, mich mit Alex zu vergleichen als mit Dani.“

„Sie sind ganz anders als ich. Ich sage immer, dass sie mit Sicherheit viel bessere Menschen sind als ich. Und darauf bin ich stolz – vor allem sind sie gute Menschen.“

Laut Dujshebaev ist Handball einer der Hauptgründe dafür, dass sie zu guten Menschen herangewachsen sind.

Sport ist etwas, das uns zu besseren Menschen gemacht hat, denn wenn man einem Team beitritt, achtet man immer auf das Wohl des Teams, man muss Freunde finden usw. Deshalb rate ich immer allen meinen Freunden, wenn sie Kinder haben – oder jetzt, wo ich selbst zwei Enkelkinder habe -, sie zum Sport zu bewegen. Sport hält sie von der Straße fern, macht sie disziplinierter, koordinierter und gesünder. Und das kann ich nur begrüßen.“

Talant Dujshebaevs schönste Erinnerung: Die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona

Dujshebaev ist stolz darauf, ein Profi-Handballspieler gewesen zu sein. Unter all seinen Erinnerungen an seine Spielerkarriere gibt es einen Moment, der ihm besonders im Gedächtnis geblieben ist: Bei den Olympischen Spiele 1992 in Barcelona gewann er Gold mit dem Unified Team Gold.

„Die beste Erinnerung, die ich als Spieler habe, waren die Olympischen Spiele in Barcelona. Da ich noch recht jung war, war es mein größtes Erlebnis, zu meinen ersten Olympischen Spielen zu fahren und Gold zu gewinnen.“

Auch wenn Barcelona 1992 einen besonderen Platz in seinem Herzen hat, räumt Dujshebaev ein, dass alle Ausgaben der Olympischen Spiele sich unterscheiden und jeweils etwas Besonderes sind.

„Für Sportler sind die Olympischen Spiele das Beste“, sagt er.

Talant Dujshebaev über die Bedeutung von Scheitern

Für Dujshebaev existiert das Wort „Scheitern“ nicht in seinem Wortschatz.

„Ich sage immer, dass Scheitern ein Wort ist, das von Menschen erfunden wurde, die negativ und pessimistisch sind und die in Weiß und Schwarz denken. Aber es gibt so viele Dinge zwischen Schwarz und Weiß“, sagte Dujshebaev.

„Für mich ist es großartig, einfach bei den Olympischen Spielen dabei zu sein. Allein im Olympischen Dorf zu leben und Tausende und Abertausende der besten Athleten aus der ganzen Welt zu sehen, ist großartig. Dort an Wettkämpfen teilnehmen zu können, ist unglaublich. Wenn du einmal dort warst, ist es schwer, das Gleiche zu wiederholen. Alles bei den Olympischen Spielen ist so wunderbar, so schön, dass es sich wirklich lohnt, es einfach zu versuchen. Deshalb ist es wichtig, es zumindest zu versuchen. Ich sage meinen Jungs immer, dass Scheitern ein Wort ist, dass wir aus unseren Gedanken entfernen müssen.“

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