Sportmomente des Jahres 2024 - Platz 4: Renars Uscins' sechs entscheidende Sekunden auf dem Weg zu Silber

Von Fabian Breuer
3 min|
Renars Uscins Tor Frankreich
Foto von 2024 Getty Images

Das Sport-Jahr 2024 neigt sich dem Ende entgegen - Olympics.com blickt auf fünf große Momente zurück. Heute machen wir mit dem vierten Rang weiter: Der Sekunden-Krimi zwischen Deutschland und Frankreich bei dem Renars Uscins zum Helden wurde.

Es war das aus deutscher Sicht wohl spannendste Finish im Mannschaftsport des gesamten Jahres. Im Viertelfinale der Handball Herren zwischen Deutschland und Frankreich schien etwa zehn Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit bereits alles verloren - doch dann drehte Renars Uscins noch einmal auf.

Es war der Durchbruch des Akteurs, der in seinem alltäglichen Sportlerleben den rechten Rückraum bei Handball-Bundesligist TSV Hannover-Burgdorf beackert.

Alltäglich war an diesem 7. August im Stade Pierre-Mauroy in Lille allerdings nichts.

Der europäischen Handball-Klassiker Deutschland gegen Gastgeber Frankreich bot so ziemlich alles, was das Handball-Herz begehrt.

Lange war es eine kleine Auferstehung der französischen Handball-Stars Nikola Karabatic, Ludovic Fabregas und Dika Mem, die für ihre Verhältnisse eine schwache Gruppenphase gespielt hatten, dann aber ausgerechnet gegen die junge deutsche Mannschaft - bis hierhin sehr überzeugend unterwegs (vier Siege aus fünf Partien) - zu zaubern begannen.

59 Minuten und etwa 45 Sekunden schien der Serien-Olympiasieger (Gold bei Beijing 2008, London 2012 und Tokio 2020) alles im Griff zu haben. Zur Halbzeit führten "Les Bleus" mit 17:14, zwischenzeitlich lag man gar fünf Tore in Front und spätestens mit dem Treffer zum 29:27 von Mem etwa eine halbe Minuten Schluss, schien alles entschieden.

Doch Deutschland hatte ja noch Renars Uscins. An dem Shootingstar der Olympischen Handball-Wettbewerbe (28 Treffer in der Gruppenphase) hatte es nicht gelegen, dass der Weltmeister von 2007 gegen den Dominator der letzten Jahre eigentlich stets zurückgelegen hatte, Uscins, am Ende 14 Tore, hatte Deutschland im Alleingang im Spiel gehalten.

So war es kein Wunder, dass sich der 22-Jährige der Verantwortung stellte, als sein Team 13 Sekunden vor Schluss einen Siebenmeter zugesprochen bekam. Ein Treffer musste her, um den Anschluss herzustellen, um wenigestens eine Mini-Chance auf den Ausgleich zu wahren.

Uscins verwandelte nervenstark und das obwohl Frankreichs Torwart Vincent Gerard die deutsche Offensivreihe an diesem Tag mit reihenweise unglaublichen Paraden entnervt hatte.

Also noch einmal hoffen, doch Frankreich war in Ballbesitz und die Sekunden rannen nur so dahin. Das deutsche Team aber glaubte an sich und Julian Köster gelang es am Mittelkreis den Ball tatsächlich noch einmal zu erobern. Gedankenschnell leitete er an den Matchwinner weiter.

Kösters Hartnäckigkeit, die blitzgescheite Weiterleitung auf Uscins, die Handlungsschnelligkeit des jungen Athleten und der pure Wille, diesen alles entscheidenden Angriff doch noch ins Ziel zu bringen: Ein Zusammenspiel, das dafür sorgte, dass dieser Ball doch noch im Netz landete.

Millisekunden vor dem Ertönen der Schlusssirene sorgte der Ausgleich zum 29:29 für Extase, bei den Fans aber natürlich auch beim entscheidenden Akteur selbst, der zu seinem Teamkollegen auf der Ersatzbank stürmte und die Freude herausschrie.

„Dieser Moment war voller Emotionen. Ich musste sie rauslassen", beschrieb Uscins nachher gegenüber Olympics.com. Doch gewonnen war ja noch nichts.

"Und dann hatte ich fünf Minuten, um runterzukommen und mich wieder neu zu fokussieren." Doch davon beflügelt, das eigentlich Unerreichbare doch noch geschafft zu haben, ließ Renars Uscins zunächst drei weitere Treffer in der Verlängerung folgen, damit hatte der Rückraumspieler aus Hannover sechs Tore am Stück erzielt.

Doch eines sollte ja noch folgen: In der Verlängerung, vier Sekunden vor Ende der Spielzeit, warf der Viertelfinal-Held den Treffer zum 35:34. Diesmal hielt David Späth im deutschen Tor beim Gegenzug den Ball zur Schlusssirene, das legendäre Viertelfinale bei Paris 2024 war beendet.

Renars Uscins wird sich wohl immer an diese Momente - die den Grundstein für das Halbfinale und den folgenden Gewinn der Silbermedaille legten - erinnern

„Das ist Handball, deshalb lieben wir es, zuzuschauen, deshalb lieben wir Spieler es zu spielen."

Und deshalb gehört dieses Spiel zu den größten Sportmomenten des Jahres.