Sebastian Kördel: „Wenn ich mein Potenzial voll ausschöpfe, kann ich an einem guten Tag jeden schlagen!“
Die neue olympische Disziplin des Windsurfens mit iQFOiL gehört zu den spannendsten Wettkämpfe bei Paris 2024, wenn die Athletinnen und Athleten über das Wasser “fliegen“. Durch die Verwendung eines Hydrofoils, das an der Unterseite des Windsurfboards angebracht wird, kann sich das Board durch Auftriebskraft vollständig aus dem Wasser heben und ist gleichzeitig schneller.
„Der Druck im Windsurfen ist derzeit unglaublich hoch, es tut schon richtig weh“, sagte der deutsche Sebastian Kördel, iQFOiL-Vizeweltmeister 2023, zu Olympics.com.
Die Athletinnen und Athleten müssen vor dem Hafen von Marseille in insgesamt 20 Rennen und in drei Formaten – Kurs-, Slalom- und Marathonrennen – ihre Kraft, Balance und Konzentration unter Beweis stellen, um möglichst wenige Punkte zu sammeln.
Eine Besonderheit im olympischen Windsurfen bei Paris 2024 ist auch das Wettkampfformat: In der Medal Series – bestehend aus Viertelfinale, Halbfinale und Finale – werden die bisherigen Punkte nicht mehr berücksichtigt. Platz vier bis zehn ziehen ins Viertelfinale ein und haben somit noch die Chance, in das Fianle einzuzuhiehen und die Goldmedaille zu gewinnen.
Kördel bereitet sich auf einen harten Wettkampf vor: „Besonders in unserer Klasse kann sich wirklich niemand bis zur letzten Sekunde sicher fühlen. Egal wie dominant man ist, man muss das letzte Rennen gewinnen, um die Goldmedaille zu erhalten.“
Bei den Olympischen Spiel Paris 2024 gilt Sebastian Kördel als Deutschlands Medaillenhoffnung auf Gold, doch in den vergangen zwei Jahren hat er die stetig wachsende Konkurrenz deutlich gespürt.
„Das Niveau der Athletinnen und Athleten, die jetzt an den Olympischen Spielen teilnehmen, ist unglaublich dicht beieinander. Das beeindruckt mich sehr“, so Kördel weiter.
Im vergangenen Jahr wurde Kördel von Nicolas Goyard aus Frankreich vom Weltmeisterthron gestoßen. Auch beim Paris 2024 Test-Event gab es ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden, das Goyard für sich entschied.
Doch Kördel will dies nicht auf sich sitzen lassen und arbeitet intensiv an seinem Erfolgsmindset für Paris 2024.
„Ich kann den Leuten nur ans Herz legen, dass man am 2. August (Medaillenrennen) bei uns zuschaut. Es wird eine sehr spannende Angelegenheit, da brennt auf jeden Fall die Luft vor Aufregung.“
Bisher wurden 12 von 20 Rennen im iQFOiL der Männer ausgetragen, das 13. Rennen sowie die Finals werden ebenfalls heute stattfinden, wenn die Wetterbedingungen gegenben sind. Kördel befindet sich aktuell auf Rang 12 und muss sich in den kommenden Rennen noch auf Platz 10 kämpfen, um ins Viertelfinale einzuziehen.
Erfahren Sie, wie sich Sebastian Kördel auf das olympische Medaillenrennen vorbereitet und wie einen klaren Kopf behält, wenn er mit einer Herzfrequenz von 200 und 30 Knoten (ca. 50 kmh) über das Wasser fliegt.
Faszination: Über das Wasser fliegen
Vor sieben Jahren probierte Sebastian Kördel zum ersten Mal das Windsurfen mit iQFOiL aus. Eingeladen, die ersten iQFOiLs zu testen und bei der Produktentwicklung mitzuwirken, erlebte er eine intensive Einführung in den neuen Sport.
Nach einigen zaghaften Versuchen und Stürzen ins Wasser hatte Kördel den Dreh schnell raus und spürte zum ersten Mal, wie sich das Board aus dem Wasser hob und er durch die Luft gleitete. Seine Faszination für den Sport war geweckt, doch die Umstellung vom regulären Windsurfen war nicht einfach.
„Es ist einfach diese dritte Dimension, die dazukommt. Man fährt nicht nur auf der Wasseroberfläche, sondern eben auch hoch und runter. Das ist am Anfang schon etwas, was relativ viel des Bewusstseins einnimmt,“ erklärte Kördel.
Mit der Zeit gewöhnte er sich an die neuen Bewegungen und die Haltung beim Windsurfen mit Foil. „Aber nach so ein oder zwei Wochen wird das dann irgendwann komplett unterbewusst. Man denkt nur noch 'fliegen', und dann fliegt man dahin, wo man hin will und das auch relativ stabil.“
Zu diesem Zeitpunkt (2017) war noch nicht klar, dass iQFOiL Windsurfen eine olympische Disziplin werden würde, dennoch entschied sich Kördel, all seine Zeit dieser neuen Disziplin zu widmen.
Der olympische Austragungsort der Windsurfrennen – Marseille – wird es den Athletinnen und Athleten nicht zu einfach machen, eine Goldmedaille zu gewinnen.
„Man muss wirklich auf alles vorbereitet sein und Marseille wird einen auf jeden Fall in jeglichen Bedingungen testen, da kann man sich drauf verlassen,“ sagt Kördel über die stetig wechselnden Winde in der Hafenregion von Marseille.
Trotz der bevorstehenden Herausforderungen blickt Sebastian Kördel zuversichtlich auf die Wettkämpfe und genießt die Zeit am Wettkampfort.
„Es ist sehr schön hier. Das Wasser ist sauber, blau und klar. Die Temperaturen sind super. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau.“
Diese positive Einstellung möchte er auch im Wettkampf beibehalten, um den Erfolgsdruck zu meistern.
Sebastian Kördel: „Es sind definitiv die Einzelteile, die das Gesamtbild formen“
Seit Beginn von Sebastian Kördels iQFOiL-Karriere begleitet ihn der Brite Dominic Tidey als Coach und führte ihn 2022 zu seinem ersten Weltmeistertitel.
„Es ist sehr von Vorteil, dass ich jemanden habe, der so viel Erfahrung hat, der schon viermal (als Coach) bei den Spielen dabei war. Er weiß, in welchen kleinen Dingen der Teufel steckt“, sagte Kördel über die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Tidey.
„Es sind definitiv die Einzelteile, die das Gesamtbild formen, es ist einfach seine ganze Aura.“
Besonders schätzt Kördel an Tidey dessen Ruhe und die wertvollen Tipps, damit er besser mit dem enormen Druck auf der olympischen Bühne umgehen kann.
Bei jedem Wettkampf, so auch in Marseille, hat Kördel immer sein Meditationskissen dabei. Vor jedem Wettkampf nimmt er sich einen Moment der Ruhe, um sich zu sammeln.
„Ich setze mich hin, meditiere ein bisschen und dann geht es mir besser. Das muss gar nicht lang sein.“
Im entscheidenden Medaillenrennen geht es um alles. Der Druck auf die Windsurferinnen und Windsurfer steigt, jeder Moment zählt.
In der Meditation macht sich Kördel bewusst: „Ich habe mir diesen Druck erarbeitet. Er ist mir nicht zugeflogen. Jetzt kann ich dankbar sein für diese Situation.“
Mit der richtigen mentalen Einstellung will Kördel Gold bei Paris 2024 gewinnen. Die Herausforderung besteht für ihn darin, diese Einstellung über alle 20 Rennen hinweg beizubehalten.
„Es wird auch die eine oder andere Niederlage dabei sein. Wenn ich es schaffe, mental zu sagen, ich habe jetzt diesen Widerstand und Druck, aber ich bin trotzdem wach genug und logisch genug, mich da nicht einzuigeln, sondern mutig nach vorne zu gehen, stark und widerstandsfähig zu sein und mein Potenzial zu maximieren, dann bin ich am Ende der Spiele glücklich“, beschreibt Kördel seine mentale Erfolgsstrategie.
„Ich weiß, wenn ich mein Potenzial ausschöpfe, kann ich an einem guten Tag jeden schlagen.“