Menstruation im Leistungssport: Olympionikinnen brechen mit Tabu

Von Julie Trosic
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Clarisse Agbegnenou aus Frankreich (Judo), Estelle Nze Minko aus Frankreich (Handball) und Lydia Ko aus Neuseeland (Golf). Bildnachweis jeweils von links nach rechts: Gabi Juan/European Judo Union, ©FFHandball/Icon_Sport und Zhizhao Wu/Getty Images.
Foto von Von links nach rechts: Gabi Juan/Europäische Judo Union, ©FFHandball/Icon_Sport und Zhizhao Wu/Getty Images.

Die Olympischen Spiele Paris 2024 setzen ein starkes Zeichen für die Gleichberechtigung. Zum ersten Mal wird eine vollständige Geschlechterparität unter den ausgewählten Athletinnen und Athleten erreicht. Zusätzlich zu neuen Mixed-Veranstaltungen geben wird die Sichtbarkeit von Frauensportwettbewerben verstärkt. Darüber hinaus werden vermehrt Trainerinnen und Funktionärinnen auf höchstem Niveau eingesetzt.

Im Leistungssport bleibt ein Thema rund um den Frauensport weiterhin tabuisiert: die Menstruation.

Doch zunehmend sprechen immer mehr Profisportlerinnen über den Einfluss ihrer Menstruation auf ihre Leistungsfähigkeit und mentale Verfassung, um auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen.

Seit der ehrlichen Aussage der Schwimmerin Fu Yuanhui, die die Volksrepublik China in Rio 2016 vertrat, traten weitere Spitzensportlerinnen hervor, um die Menstruation als Thema zu normalisieren.

„Tatsächlich hat meine Periode gestern Abend begonnen", sagte Fu dem chinesischen Sender CCTV, nachdem sie im Finale der 4x100-Meter-Lagenstaffel der Frauen das Podium verpasst hatte. „Deshalb fühle ich mich sehr schwach und müde, aber das ist keine Entschuldigung. Am Ende des Tages bin ich einfach nicht gut geschwommen.“

Während die Menstruationssymptome von Frau zu Frau unterschiedlich sind, löst diese Geschlechterfrage Diskussionen verschiedenen Bereichen der Sportwelt aus.

Ich bin nicht die Einzige

„Ich betreibe seit mehr als einem Jahrzehnt Leistungssport und wurde letztes Jahr zum ersten Mal nach meiner Menstruation gefragt“, erklärte die französische Handball-Olympiasiegerin Estelle Nze Minko im Jahr 2020 auf Vereins-Website Règles Élémentaires.

Ihre Landsfrau Clarisse Agbegnenou wurde Botschafterin für eine französische Marke für Menstruationsunterwäsche, wenige Monate bevor sie in Tokio 2020 zweifach Gold im Judo gewann (in -63 kg und im Mixed-Team-Wettbewerb). Agbegnenou setzt sich aktiv dafür ein, das Tabuthema der Menstruation im Sport anzusprechen. Sie fordert, dass die Einflüsse der Menstruation und die besonderen Bedürfnisse des Frauensports, einschließlich Menstruation und Hygieneprodukte, stärker berücksichtigt werden sollten.

„Ich habe Judo mit einem weißen Judogi praktiziert und es ist kompliziert“, sagte sie France Info.

In einer Sportart wie Golf, ist es wichtig in jedem Moment vollkommen konzentriert zu bleiben, sagte die Neuseeländerin Lydia Ko beim Palos Verdes Championship Turnier 2022 und wies auf ihre aktuellen Menstruationsschmerzen und Verspannungen an.

„Mein jüngeres Ich würde sagen, dass es peinlich ist, aber jetzt glaube ich, dass es nicht mehr so peinlich ist, es zu sagen, weil ich nicht die Einzige bin, oder?“, sagte sie im exklusiven Interview mit Olympics.com.

Die französische Eiskunstläuferin Maé-Bérénice Méité gab mehreren Sportlerinnen die Möglichkeit, ihre Erfahrungen während der Menstruation auf ihrem YouTube-Kanal zu teilen. Ihre Konkurrentin, die US-Amerikanerin Ashley Cain-Gribble sowie die marokkanische Judoka Assmaa Niang, die französischen Gerätturnerin Youna Dufournet und Jessika Guehaseim, Hammerwerferin und Rugbyspielerin, bestätigten alle, dass die Menstruation weiterhin ein Thema ist, worüber trotz des großen Einflusses, kaum in der Öffentlichkeit gesprochen wird.

Die Stimmen werden lauter, die Veränderungen spürbar

Auch im Mannschaftssport bekommt das Thema Menstruation langsam mehr Aufmerksamkeit. Dies ist unter anderem der englischen Fußballerin Beth Mead zu verdanken, die öffentlich sagte, dass „Weiß ist nicht praktikabel, wenn es die Zeit des Monats ist“. Infolgedessen wechselten bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2023 einige Fußballmannschaften zu dunklen Fußballhosen.

Auch die irische Rugby-Union-Nationalmannschaft der Frauen trug bei der Six Nations Championship der Frauen 2023 dunkle Shorts.

In Wimbledon durften Tennisspielerinnen zum ersten Mal in der Geschichte des Turniers, 146 Jahre nach der Einführung des Turniers, dunkle Shorts tragen.

In der Zwischenzeit kämpft die brasilianische Ringerin Aline Silva mit ihrem Verein Mempodera außerhalb des Rings, um die Gleichberechtigung der Geschlechter im Sport zu verbessern. Diese Organisation veröffentlichte im Februar einen Instagram-Post, um den freien Zugang zu Hygieneprodukten für Frauen in einem von Armut betroffenen Land zu fördern.

„Welche Möglichkeiten geben wir Mädchen und Frauen, die aufgrund ihrer Menstruation jeden Monat einige Tage an Leistungsfähigkeit verlieren?“, fragte Silva auf der Website von Universo Online.

Der Zyklus der Leistungsfähigkeit: Mit wisschenschaftliche Untersuchungen Tabu brechen

Seit 2021 erforscht das Programm Empow'Her unter der Leitung des französischen Nationalen Instituts für Sport, Expertise und Leistung (INSEP) den Einfluss der Physiologie von Frauen auf die Leistungen von Spitzensportlern. Journalistin Fanny Rosselin fasste die Ergebnisse zusammen, die anhand der Daten der französischen Triathletin Audrey Merle von der Forscherin Juliana Antero ausgewertet wurden. Das Programm zielt darauf ab, den Einfluss der Menstruation auf die Leistungssportlerinnen zu dokumentieren, zu analysieren und auf die Auswirkungen aufmerksam zu machen.

Durch das Sammeln von Daten mittels einer Überwachungs-App während der Trainingseinheiten der Athletinnen, werden Informationen über ihren Schlaf, ihre Form, ihr Wohlbefinden und eventuelle Menstruationsbeschwerden erfasst.

Menstruationsschmerzen, Krämpfe, Verdauungsstörungen, Blähungen und erhöhte Müdigkeit – das sind nur einige Beispiele dafür, was Sportlerinnen während ihrer Periode spüren können. Solche Symptome variieren stark von Frau zu Frau und beeinflussen dennoch die Qualität der Trainingseinheiten, wie die Studie zeigt.

„Es ist nicht erwiesen, dass die Menstruation zu einem Leistungsabfall bei einer Sportlerin führen würde, es sei denn, sie leidet während ihres Menstruationszyklus an Störungen, nämlich einer schmerzhaften Periode“, erklärte die Gynäkologin Carole Maître vom INSEP.

Das Empow'Her-Programm hat dazu beigetragen, Frauen eine Stimme in Bezug auf das Thema Menstruation zu geben. Je mehr dieses Thema in den Fokus gerückt wird, desto mehr wird es enttabuisiert, so Juliana Antero.

Mehrere Sportverbände in Frankreich nahmen an dieser INSEP-Studie teil, an der 80 Sportlerinnen beteiligt waren, wie das französische Magazin Les Sportives im Jahr 2022 berichtete. Das Ziel des Empow'Her-Programms darin besteht, französischen Sportlerinnen zu unterstützen, dass auf ihre Bedürfnisse während der Menstruation im Leistungssport und während der kommenden Olympischen Spiele eingegangen wird. Die beteiligten Wissenschaftler hoffen, dass Paris 2024 nicht das Ende des Forschungszyklus sein wird.