Laura Ludwig vor Paris 2024 exklusiv: Wie die Mutter Krisen überwand und es zu ihren fünften Olympischen Spielen schaffte 

Von Andreas Kloo
6 min|
Laura Ludwig Louisa Lippmann Ostrava
Foto von World Volleyball

Als Laura Ludwig mit Olympics.com zum Gespräch verabredet ist, kommt sie gerade aus dem Kraftraum.

Ludwig, 38, Mutter zweier Söhne (6 und 2 Jahre alt) ist topfit. „Ich bin auch von größeren Verletzungen verschont geblieben, so dass ich mit 38 noch nicht ans Aufhören denken muss“, sagt sie selbstbewusst.

Die Beachvolleyball-Olympiasiegerin von Rio 2016 denkt momentan nur an eines: die Olympischen Spiele Paris 2024.

Es werden bereits ihre fünften Spiele sein. Die Vorfreude auf das Großereignis ist nicht kleiner als vor Peking 2008, als sich die gebürtige Berlinerin zum ersten Mal qualifiziert hatte.

„Es ist definitiv DAS Event. Wir Sportler leben im Vier-Jahres-Rhythmus. Alles ist auf Olympia ausgerichtet, darauf, dort zu performen. Wir wollen dort unsere beste Leistung abrufen.“

2016 gewann Ludwig mit Kira Walkenhorst Olympia-Gold, 2017 sicherten sich die beiden den WM-Titel.

Alles erreicht, könnte man meinen. Doch so tickt Laura Ludwig nicht. Sie ist immer hungrig, ständig auf der Suche nach Verbesserungen.

Als nach der Geburt ihres ersten Sohnes 2018 und nach Tokio 2020 an der Seite von Margareta Kozuch leichte Zweifel aufkamen, ob noch genug Energie da sei, horchte sie in sich hinein.

„Da habe ich festgestellt, dass ich diesen Sport noch zu sehr liebe.“

Und das gilt nach wie vor: „Ich habe weiterhin Lust, an mir zu arbeiten. Ich will das Spiel noch besser verstehen. Ich spüre, dass bei mir immer noch Luft nach oben ist.“

Feuer und Flamme für Lippmann

Im Streben nach ständiger Weiterentwicklung hat sie sogar einen eigenen Signature Move erschaffen. Aus einer Defensivaktion machte sie einen Angriffsschlag und schafft es beim nach ihr benannten „Ludwig“ mit einem Hechtsprung zu baggern und direkt zu punkten. Sie hat das Spiel also nicht nur verstanden, sondern es zum Teil zu ihrem gemacht.

Als 2022 die Idee aufkam, sich mit Louisa Lippmann zusammenzuschließen, war die Wahl-Hamburgerin sofort Feuer und Flamme.

„Ich habe ehrlich gesagt gar nicht groß darüber nachgedacht, ob es funktionieren wird oder nicht. Ich hatte einfach Bock auf die Challenge“, sagt sie zu ihrer damaligen Zusage.

Lippmanns Mut beeindruckte Ludwig. Ihre neue Partnerin hatte als Hallenspielerin bei internationalen Klubs gut verdient, wagte aber dennoch im Alter von 27 Jahren einen Neuanfang.

„Louisa hatte coole Argumente. Sie wollte ihren Weg gehen, sich mit unserer Hilfe weiterentwickeln. Das hat mir imponiert.“

Lesen Sie weiter und erfahren Sie, wie Laura Ludwig im Laufe der Olympia-Qualifikation an ihre Grenzen kam – und eine Lösung fand.

Höhen und Tiefen 2023

Im Sommer 2023 trug die Zusammenarbeit des neuen Duos Früchte. Bei der EM in Wien gewannen Ludwig und Lippmann zusammen Bronze, bei den Elite16-Turnieren in Hamburg und Paris belegte das Duo Rang fünf.

Im Herbst lief es allerdings nicht mehr so rund. Bei der WM in Mexiko schafften sie es nicht unter die besten 16, bei anderen Events überstanden die beiden nicht einmal die Qualifikation.

Zweifel kamen auf, ob Ludwig/Lippmann das Ticket für Paris 2024 erobern würden können. Dafür musste nicht nur zum Stichtag 10. Juni 2024 einer der ersten 17 Plätze in der Weltrangliste erreicht werden. Sie mussten auch zu den zwei besten deutschen Duos gehören. Im Duelll mit Svenja Müller/Cinja Tillmann und Karla Borger/Sandra Ittlinger kein leichtes Unterfangen.

Kanada, Mexiko, Brasilien - als Beachvolleyball-Star reist man um die ganze Welt. Ludwig reiste jedoch nicht allein. Oft mit dabei bei diesen Reisen war der älteste Sohn Teo Johnston. Ihren Ehemann Imornefe Bowes hatte sie als Trainer des Duos Ludwig/Lippmann sowieso an ihrer Seite.

Doch Ende des vergangenen Jahres musste Laura Ludwig feststellen: Es geht nicht mehr.

Gemeinsam kam man zu dem Entschluss, dass ihr Mann die Tätigkeit als hauptverantwortlicher Trainer aufgibt, um zu Hause in Hamburg mehr Zeit für die beiden Kinder zu haben.

„Das war eine schwierige Entscheidung. Aber ständig auf Reisen, mit zwei Kindern, da bin ich an meine Grenzen gekommen.“

Nun coacht der Österreicher Simon Nausch, der zuvor schon zum Team gehörte, das deutsche Beach-Duo bei ihren internationalen Turnieren. In Hamburg profitiert Ludwig weiterhin vom Fachwissen ihres Ehemannes im Athletiktraining und bei Balleinheiten.

Womöglich war diese Neuformierung im Team die Grundlage für die erfolgreiche Olympia-Qualifikation, die man sich im direkten Duell gegen Borger/Ittlinger beim letzten Turnier des Qualifikationszeitraums in Ostrva sicherte.

Ludwig fühlt sich seit dem offiziellen Trainerwechsel ein Stück weit befreit. „Es ist jetzt schon ein anderes Ding, wenn man weiß, dass da zu Hause jemand ist“, gibt sie zu.

„Jetzt herrscht eine klarere Trennung zwischen dem Sport und der Familie. Alles ist mehr in Balance.“

Sportpsychologin unterstützt Ludwig

Die Balance zu finden, damit hatte Ludwig früher Probleme. Doch seit einigen Jahren arbeitet sie mit Mentalcoach und Sportpsychologin Anett Szigeti zusammen, die ihr dabei hilft, im inneren Gleichgewicht zu bleiben.

Ludwig möchte die Unterstützung Szigetis nicht mehr missen: „Sie gibt mir die richtigen Tools an die Hand.“

Die Psychologin war wohl auch mitentscheidend für den Triumph von Rio.

2008 und 2012 war für Ludwig im Achtel- beziehungsweise Viertelfinale Schluss

„Da habe ich bei den Turnieren davor super gespielt. Aber mein Kopf war nicht bereit“, erzählte sie rückblickend. Das Großevent nahm ihr damals die Lockerheit, sie sei „versteinert“ gewesen.“

„2016 habe ich mir gesagt: Das will ich diesmal anders machen.“ Und wandte sich an Szigeti.

Mit ihrer Hilfe lernte sie eine Sache: „Es ist wichtig, sich selbst nicht zu verlieren bei dem Hype um Olympia, wenn gefühlt jeder auf einen schaut.“

Das will sie nun auch an Partnerin Lippmann für Paris 2024 weitergeben.

„Am Ende muss das jeder individuell für sich rausfinden. Ich finde es zum Beispiel wichtig, Zeit im Olympischen Dorf zu verbringen, um das Feeling aufzubauen. Um sich zu vergegenwärtigen, was man da eigentlich geschafft hat.

„Wichtig ist aber auch zwischendurch Ruhe zu finden. Es geht um die richtige Mischung. Da gibt es sicher viele Wege.“

Im Kampf um Olympia-Medaillen gilt für Ludwig: „80 Prozent werden im Kopf entschieden.“

Womöglich gilt das nicht nur für die Olympischen Spiele.

Um ihr Programm mit intensivem Training und Familie zu schaffen, dafür braucht es mentale Stärke.

Wie schafft man es als Mutter, all diesen Anforderungen gerecht zu werden?

Ludwigs Rat an andere Mütter: „Sich auch mal rausnehmen. Sich das eingestehen, wenn man mal zu müde ist fürs Training. Mit Familie kann man nicht immer bei 100 Prozent sein.“

„Wobei das bei mir einmal im Monat oder einmal alle zwei Monate vorkommt“, fügt sie allerdings gleich hinzu.

Die Olympiasiegerin kann vor allem auf viel Unterstützung bauen, wenn es darum geht, sich um die Kinder zu kümmern.

„Es ist wie ein kleines Dorf, in dem sich alle lieben. Bei den Kindern gibt es keine großen Schmerzen, wenn ich nicht da bin.“

Die wird es auch während der Olympischen Spiele nicht geben. Teo Johnston und sein Bruder Lenny Matthias Bowes werden mit ihrem Vater nach Frankreich reisen.

„Und Paris genießen“, verspricht Ludwig.