Kapitän und Fahnenträger bei Paris 2024 - Dennis Schröder: Die Personifikation der Entwicklung des deutschen Basketballs

Von Fabian Breuer
6 min|
Dennis Schröder - Auf dem Weg zur dritten Medaille mit Team Deutschland

Dennis Schröder ist deutscher Fahnenträger bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele Paris 2024 am Freitag, den 26. Juli.

Zusammen mit Judoka Anna-Maria Wagner erhielt Schröder addiert die meisten Punkte der Stimmen bei der Abstimmung durch die Athlet*innen des Team Deutschland und der Öffentlichkeit.

Das teilte der DOSB am Dienstag (23. Juli) mit.

Schröder setzte sich mit 103,54 Punkten gegen Tennisspieler Alexander Zverev (57,57) und den Sportschützen Christian Reitz (38,89) durch.

Die Wahl zum Fahnenträger ist auch eine Belohnung für Schröders Anteil an der Entwicklung des deutschen Basketballs.

Denn Deutschland ist einer der Favoriten auf eine Olympische Medaille im Basketball. Für viele Jahre war das ein undenkbarer Satz.

Nicht, dass die DBB-Auswahl stets ein Team absoluter "No Names" war. Detlef Schrempf in den 1980er Jahren, Hansi Gnad oder Christian Welp, die das deutsche Team zum Europameister-Titel 1993 führten und natürlich Dirk Nowitzki, der berühmteste deutsche Korbjäger aller Zeiten, NBA-Champion mit den Dallas Mavericks und der prägendsten Figuren der Geschichte der wichtigsten Basketball-Liga der Welt.

Doch die aktuelle Generation um Kapitän Dennis Schröder hat ihnen schon jetzt etwas voraus. Zwei Medaillen bei aufeinanderfolgenden Turnieren gab es noch nie zuvor. Die Herrenationalmannschaft befindet sich also in Mitten der erfolgreichsten Kampagne ihrer Geschichte - und die Entwicklung des Teams ist eng mit ihrem Kapitän verknüpft.

Basketball

Dennis SCHRÖDER

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Gordon Herbert formt einen Leader

Alles begann mit der Verpflichtung des Kanadiers Gordon Herbert als neuen Bundestrainer. Herbert, bekannt von mehreren Stationen als Vereinscoach in Deutschland (u.a bei ALBA Berlin und den Fraport Skyliners, trat mit einer Mission an. "Es geht darum Medaillen zu gewinnen. Bei der EM, bei der WM, bei Olympia", sagte der ehemalige Trainer der Kanadischen Nationalmannschaft bei seiner Vorstellung im September 2021.

Hochgesteckte Ziele, an die niemand in Basketball-Deutschland so recht glauben wollte. Herbert wählte Dennis Schröder als Leader seiner Mission aus. In einem Interview mit der BILD-Zeitung vor wenigen Wochen sagte der Entscheidungsträger rückblickend: "Ihn zum Kapitän der Nationalmannschaft zu machen, war eine meiner besten Entscheidungen jemals."

Zum damaligen Zeitpunkt aber traf die Ernennung von Schröder nicht überall auf Gegenliebe. Schröder, der bereits bei den EuroBaskets 2017 seine ersten starken Auftritte im Nationaldress gezeigt hatte, hatte es in Deutschland nicht leicht.

Obwohl der in Braunschweig geborene Spielmacher , der damals schon acht erfolgreiche Jahre in der NBA gespielt hatte, fehlte es ihm an Anerkennung in seiner Heimat. Sein Auftreten in der Öffentlichkeit - von einigen als protzig empfunden - und auch einige unglückliche Auftritte im Nationalteam, als den 1,88 Meter großen Spielmacher vielleicht der Überehrgeiz packte, verschafften ihm an mancher Stelle den Ruf als Egoist auf dem Basketball-Parkett.

Das änderte sich mit der EM 2022, die im September des Jahres unter anderem in Deutschland ausgetragen wurde. Dennis Schröder füllte die ihm vom Bundestrainer zugedachte Rolle mit Bravour aus - gemeinsam mit seiner Mannschaft gewann er die Bronzemedaille, war mit durchschnittlich 22 Punkten der erfolgreichste Werfer der DBB-Auswahl und wurde ins Team des Turniers gewählt.

Der Wendepunkt und Grundstein für das was folgte - Weltmeister 2023, MVP des Turniers und Anerkennung. Letzteres auf vielen Ebenen. Zuletzt verlieh der Bundespräsident dem gesamtem Team das Silberne Lorbeerblatt, die höchste staatliche Auszeichung für Spitzenleistungen im Sport, ein Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Nun folgt die Ehre als deutscher Fahnenträger bei den Olympischen Spielen Paris 2024.

Sogar LeBron James ist ein Bewunderer von Dennis Schröder

Speziell nach dem Gewinn des FIBA World Cups haben sich viele Medien der Wandlung von "DS17" (Ein Spitzname in Anlehung an seine Initialien und die Rückennummer, die er in Verein und Nationalmannschaft trägt) gewidmet.

Doch war wirklich eine charakerliche Veränderung vom "hitzigen Proll zum Leader" - wie es einst ntv.de schrieb? Es scheint, als sei es viel mehr eine Entwicklung des Charakters. Schröders Wille seine Rolle aus der NBA auf die Nationalmannschaft zu übertragen, dürfte entscheidend gewesen sein.

Denn in seiner sportlichen Heimat - bereits seit 2014 spielt er ununterbrochen in der besten Profiliga der Welt - wird der Deutsche schon seit Jahren für seine Stärken geschätzt. Schröder gilt als Teamplayer, einer der jede Rolle annimmt, auch von der Bank kommend wichtige Minuten liefern kann und sich trotz seiner Spielmacher-Rolle für keine defensive Aufgabe zu Schade ist.

Nicht umsonst verlieh kein Geringerer als LeBron James im September 2022 seiner Begeisterung ob der Rückkehr von Schröder zu den Los Angeles Lakers Ausdruck, als er in einer Instagram-Story sinngemäß und übersetzt schrieb: "Jaaa! So verdammt glücklich, dass du zurückkommst - du bist einer dieser besonderen Spieler."

Dennis Schröder geht voran: Auf dem Spielfeld und im Leben

Zu diesen besonderen Profis gehört nicht selten identitäre Persönlichkeit. Schröder hat diese, dem Commitment - ein Wort, das in Zusammenhang mit dem deutschen Traum von Basketball-Medaillen häufig fiel - misst der Point Guard erhebliche Bedeutung bei.

Zum Engagement (die freie Übersetzung des Worts ins Deutsche) sagte Schröder schon kurz vor der Heim-EM 2022: "So ein Commitment brauchen wir auch von allen Spielern. Hart gesagt: Die Leute, die kein Commitment abgeben wollen, die sollen auch nicht kommen. Im Endeffekt wollen wir nur die Leute, die auch Bock drauf haben und 110 Prozent geben." Schröder nimmt kein Blatt vor den Mund - ähnlich gelagterte Aussagen um Maxi Kleber - schlugen rund um die folgende WM hohe Wellen sind aber längst ausgeräumt.

Schröder geht eben voran in Wort und Tat, den gesteckten Zielen (Stichwort drei Medaillen für Deutschland) ordnet er alles unter - vielleicht ist er genau deshalb der richtige Leader und Kapitän des Teams. Mit dieser Willenskraft, hat er seine Kindsheitsträume in die Tat umgesetzt. Einst versprach er seinem Vater Axel - seinem größten Förderer der Kindheit - ein berühmter Basketballer zu werden.

Auch nach dem viel zu frühen Tod seines Vaters, der 2009 an einer Herzsuffizienz verstarb, verlor der junge Dennis dieses Ziel nicht aus den Augen - ganz im Gegenteil. Schröder hat stets betont, dass dieser tragische Verlust seinen Ehrgeiz noch mehr beflügelte.

So tickt Dennis Schröder, so denkt er und so ist nur passend, dass er in diesen Tagen auch nie einen Hehl daraus machte, die deutsche Fahne unbedingt tragen zu wollen: "Das bedeutet mir auf jeden Fall alles", so der 30-Jährige jüngst: "Deutschland mit meiner Herkunft, meine Mama ist aus Gambia, repräsentieren zu dürfen, würde ein Statement setzen - als Dunkelhäutiger die Fahne zu tragen."

Denn so ist Dennis Schröder eben auch, bei allem Ehrgeiz selbst zu führen und zu handeln, hat er das große Ganze im Blick. Er denkt an zahlreiche Deutsche mit internationalen Wurzeln, die mit einigen Hürden des Lebens zurechtkommen müssen. Sie können aus seinem Werdegang Kraft schöpfen und ihn vielleicht sogar als Vorbild ansehen.

Auf das sportliche Ziel bei den Olympischen Spielen 2024 - die dritte Medaille in drei Jahren - übertragen: Seine Mitspieler können sich an ihrem Kapitän orientieren, denn mit seiner Entwicklung zum Superstar und Anführer, ist er die Personifikation des stetig wachsenden deutschen Basketballs.