5 Wege eine olympische Medaille zu gewinnen: im Wasser, Breaking-Battle oder auf der Matte
Wie werden die Besten der Besten bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris bewertet?
Besonders in Disziplinen, bei denen die Kreativität der Athletinnen und Athleten im Vordergrund steht, wie bei den Breaking-Battles oder den kunstvollen Darbietungen im Synchronschwimmen, stellt die Bewertung der Leistung eine besondere Herausforderung für die Punktrichterinnen und -richter dar.
Während das Punktesystem in der Rhythmischen Sportgymnastik auf den ersten Blick klar definiert erscheint, zeigt Dr. Hugues Merciers langjähriges Projekt, dass es dennoch Spielraum für Interpretation gibt.
Verschiedene Disziplinen innerhalb einer Sportart können außerdem über ein spezifischen Punktesysteme und verschiedene Regeln verfügen, beispielsweise im Freistil und im griechisch-römischen Ringen.
Ein tiefgehendes Verständnis dieser Bewertungssysteme ist nicht nur wichtig für die Zuschauenden, sondern auch für die Athleten und Athletinnen, damit sie ihre Performance auf die Kriterien anpassen können.
Wir werfen einen Blick auf die die Aufgaben der Punktrichterinnen und -richter sowie die verschiedenen Punktesysteme in der Rhythmischen Sportgymnastik, im Breaking, Ringen, Kunstschwimmen und in den Segeldisziplinen.
Punktevergabe und Fairness in der Rhythmischen Sportgymnastik
In der Rhythmischen Sportgymnastik erfolgt die Bewertung der Turnerinnen und Turner anhand eines Regelwerks mit einem festgelegten Punktesystem, das als "Code of Points" (COP) bekannt ist. Dieses Regelwerk wird für jeden Olympischen Zyklus überarbeitet.
Für jede ausgeführte Turnübung geben die Kampfrichterinnen und -richter zwei Bewertungen ab: den D-Score (für den Schwierigkeitsgrad) und den E-Score (für die Ausführung). Alle Turnerinnen und Turner mit einer Ausführungspunktzahl von 10, von der Punkte für Fehler wie gebeugte Beine, Arme oder Stürze abgezogen werden.
Der Schwierigkeitsgrad wird anhand der Elemente in der Routine berechnet, wobei für jeden dieser Elemente im COP ein spezifischer Wert festgelegt ist. Der D-Score ergibt sich aus der Summe dieser Werte. Allerdings gibt es auch Ausnahmen wie für den Sprung, jedem Sprung wird ein vordefinierter Wert zugewiesen.
Die Bewertung der Ausführung ist komplexer, da sie von der jeweiligen Jury vorgenommen wird. Hierbei werden Aspekte wie die technische Präzision und die Qualität der ausgeführten Bewegungen bewertet.
Zusammen ergeben der D-Score und der E-Score die Gesamtpunktzahl für die sportliche Leistung. Bei Paris 2024 wird werden insgesamt 9 Jurymitglieder die Leistungen der Turnerinnen und Turner bewerten.
Dr. Hugues Mercier, Teil eines langfristigen Projekts zur Überprüfung der Bewertungen durch die Jury, betont die Komplexität der Bewertungen. Trotz intensiver Schulung und Überprüfung durch Videoanalysen bleibt die Beurteilung subjektiv, da sie in Echtzeit erfolgt und kleine Fehler unausweichlich sind. Um Fairness zu gewährleisten, werden bei internationalen Wettkämpfen oft die höchste und niedrigste Wertung der Punktrichterinnen gestrichen, um extreme Abweichungen auszugleichen.
„Man muss verstehen, dass es sehr, sehr schwierig ist, die Ausführung zu beurteilen“, sagte Mercier. „Es geht sehr schnell und der beste Weg, um Fairness für die Turner*innen zu gewährleisten, besteht darin, davon auszugehen, dass es völlig normal ist, dass die Kampfrichter*innen ab und zu einen kleinen Fehler machen, da es sich um eine sehr komplexe Aufgabe handelt.“
„Die Wertungsrichter*innen wurden noch nie zuvor so genau unter die Lupe genommen, jetzt kann jeder zu Hause auf Pause drücken und sagen kann: 'Okay, lass uns das noch einmal in Zeitlupe abspielen'“, schmunzelt Mercier. „Aber im Großen und Ganzen ist die Beurteilung auf der ganzen Linie hervorragend.“
„Kein Jurymitglied wird bezahlt, daher wird den Kampfrichter*innen die größte Ehre oder die prestigeträchtigste Aufgabe zuteil, während der Olympischen Sommerspiele zu bewerten“, sagte Mercier.
Nach Paris 2024 hofft Mercier beispielsweise, die Auswirkungen von Ermüdung auf die Richter*innen genauer untersuchen zu können. Die ersten drei Wettkampftage bei der WM 2023 in Belgien zum Beispiel bestanden aus langen Qualifikationseinheiten, bei denen die Jurymitglieder zwischen 10 und 12 Stunden pro Tag die Leistungen bewerteten.
Mit Beats und Kreativität zur Breaking-Medaille
Breaking ist ein urbaner Stil, der sich in den 1970er Jahren im New Yorker Stadtteil Bronx als Teil der Hip-Hop-Kultur entwickelte. Die Sportart zeichnet sich durch eine Kombination aus athletischen Bewegungen wie Drehungen, Flips und anderen komplexen Körperbewegungen aus.
In Paris 2024 wird der Breaking-Wettbewerb am 9. und 10. August 2024 in La Concorde ausgetragen werden. An der Veranstaltung werden 16 B-Boys und 16 B-Girls teilnehmen, die sich in 1-gegen-1-Runden passend zur vom DJ zufällig ausgewählten Musik messen werden.
Bei Paris 2024 werden die insgesamt 9 Jurymitglieder die B-Girls und B-Boy anhand der fünf Kategorien: Musikalität, Vokabular, Originalität, Technik und Ausführung bewerten.
Jedes Kriterium macht ungefährt 20 Prozent der Punktzahl aus, die Summe ergibt 100 Prozent.
Im Gegensatz zu traditionellen Bewertungssystemen konzentriert sich die Jury darauf, zwei Breaker in jedem Battle direkt zu vergleichen. Derjenige, der zwei von maximal drei Runden gewinnt, sichert sich den Sieg und geht in die nächste Runde.
Zusätzlich zu ihrer Bewertungsfunktion haben die Jurymitglieder die Möglichkeit, einen Strafknopf zu verwenden, um Fehlverhalten wie unangemessenes Verhalten zu ahnden.
Laut dem koreanische B-Boy Skim (Kim Heon-jun), Jurymitglied der WDSF Breaking, sind die olympischen Breaking-Battles ein besonderes Erlebnis für die Zuschauenden: „Während jeder bei den Olympischen Spielen möchte, dass Athlet*innen aus dem eigenen Land auf dem Podium stehen, möchte ich vor allem, dass die Fans in jeder Wettkampfrunde ihren Lieblingstil entdecken. Das ist die wirkliche Art, das Breaking zu genießen.“
Im Ring Punkte erzielen: Freistil vs. griechisch-römisches Ringen
Ringen ist eine der ältesten Sportarten der Olympischen Spiele. Bereits 708 v. Chr. wurden Ringerwettkämpfe bei den Olympischen Spiele der Antike ausgetragen. Seit der ersten Ausgabe der Modernen Spiele Athen 1896 ist das Ringen ein fester Bestandteil des Programms.
Seit über einem Jahrhundert messen sich männliche Ringer bei den Olympischen Spielen in zwei Disziplinen: Freistil und griechisch-römisches Ringen. Bei Paris 2024 werden beide Wettkämpfe in beiden Stilen dieser traditionsreichen Sportart ausgetragen.
Das Frauenringen wird bei den Spielen das 20-jähriges Jubiläum als Olympische Disziplin feiern.
Was sind die größten Unterschiede zwischen Freistil und griechisch-römisches Ringen?
Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Ringer-Stilen liegt den erlaubten Ringergriffen und Techniken. Im Griechisch-römische Ringen darf die gegnerische Person nur oberhalb der Taille angegriffen werden, während beim Freistil überall gegriffen werden darf. Die eigenen Beine (oder ein Arm) können genutzt werden, um Grifftechniken an den Beinen der gegnerischen Person auszuführen.
In beiden Disziplinen dauern die Ringkämpfe gleich lange, 2x3 Minuten mit jeweils 30 Sekunden Pause. Es gibt allerdings eine spezifische Wettkampfsituation, die hauptsächlich im Griechisch-römischen auftritt: die Bodenposition.
Einmal in jeder Kampfperiode wird der Kampf im Falle von Passivität am Boden fortgesetzt. In diesem Fall liegt die passive Person flach auf dem Bauch und die gegnerische Person hat 20 bis 30 Sekunden Zeit, um sie an der Taille zu fassen, anzuheben oder eine Umkehrung durchzuführen. Wenn der Ringer oder die Ringerin es schafft, die Person auf den Rücken auf die Matte zu befördern, wird der Sieg mit Punkten belohnt. Im Freistil kommt eine solche Situation nur selten vor, wenn beispielsweise eine Person versucht, die Matte zu verlassen.
„Das ist ein entscheidender Moment im Wettkampf. Da wir nur versuchen, den Oberkörper zu greifen, gibt es weniger Möglichkeiten, aus dem Stand zu punkten. Daher kann sich die Bodenarbeit im Griechisch-römischen Ringen als entscheidend erweisen“, sagte der Olympionike Johnny Bur aus Frankreich.
Wie gewinnen Ringerinnen und Ringer einen Kamp? Für den Sieg durch technische Überlegenheit, ist im Freistil ein Mindestvorsprung von 10 Punkten nötig, während im griechisch-römischen Ringen bereits ein Vorsprung von 8 Punkten ausreicht.
Segeldisziplinen: Das Rennen auf dem Wasser
Alle olympischen Segelregatten werden in einem "Fleet Race"-Format ausgetragen, bei dem eine Gruppe von Booten gleichzeitig auf dem Wasser starten.
Alle Seglerinnen und Segler fahren entweder allein oder als Duo einen Kurs, der durch Bojen markiert ist. Das Boot oder Kite, welches als erstes die Ziellinie überquert, hat gewonnen. Jede Veranstaltung besteht aus einer Eröffnungsserie und einem Medal Race (oder Medaillenserien für Windsurfen und Kitesurfen).
Den Booten werden Punkte für ihre Endplatzierung in jeder Wettfahrt zugeteilt (erster Platz = 1 Punkt, zweiter Platz = 2 Punkte usw.). Je niedriger die Gesamtpunktzahl, desto höher ist die Gesamtplatzierung für das Boot. Das schlechteste Rennergebnis der Crew oder der jeweiligen Segler*innen wird nach der Eröffnungsserie (oder bis zu drei Wettfahrtergebnissen im Windsurfen und Kite) nicht gezählt.
Die Anzahl der Rennen in der Eröffnungsserie für jede Klasse:
- Jolle (Ilca 6, 7 und 470-Mixed): 10 Rennen
- Skiff (49er, 49er Fx) und Mehrrumpfboot (Nacra 17): 12 Rennen
- Windsurfen (iQFoil): 20 Rennen
- Kitesurfen (Formula): 16 Rennen
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Wie werden Akrobatik und Synchronität im Schwimmbecken bewertet?
Bei Paris 2024 wird es zwei bahnbrechende Neuerung im Kunstschwimmen (früher genannt Synchronschwimmen) geben: gemischte Teams und Frauenakrobatik. Zum ersten Mal in der Olympischen Geschichte können auch männlich Athleten in diesem faszinierenden Sport antreten.
Bei den European Games 2023 schrieben Frithjof Seidel (Team Deutschland) und der Italiener Giorgio Minisini Geschichte, da sie als erste Männer überhaupt an einem Mannschaftswettbewerb im Kunstchwimmen teilnahmen.
Nach 40 Jahren gewann Deutschland zum ersten Mal wieder eine Medaille in diesem Sport. Das deutsche Team holte mit Seidel die Silbermedaille in der freien Kombination. Im gemischten Dutt reichte es für Seidel und Michelle Zimmer für Platz 7.
Bei Paris 2024 wird Kunstschwimmen wird der Wettkampf als Team oder als Duo aus drei Disziplinen bestehen: Die technische und freie Kür, die bereits Teil des Olympischen Programms waren, sowie der neue Wettkampf der Akrobatik.
Die Punkte aller drei Wettbewerbe werden addiert, um die Medaillenvergabe zu bestimmen.
Wie wird die Disziplin Akrobatik bewertet?
Akrobatik „fordert die Richter*innen heraus, Schwierigkeitsgrad, Ausführung und künstlerischen Ausdruck komplexer Strukturen, Bewegungen in der Luft und einer Vielzahl von akrobatischen Kombinationen zu identifizieren und zu bewerten", gab World Aquatics bekannt.
Die Akrobatik wird in vier Hauptbewegungsgruppen unterteilt und nach den folgenden Voraussetzungen beurteilt:
- A (Airborne): Alle Elemente werden in der Luft ausgeführt.
- B (Balance): Alle Elemente werden auf einer Stütze/Basis ausgeführt.
- C (Combined): Elemente aus Gruppe A und B werden kombiniert.
- P (Platform): Die Akrobatik wird basierend auf dem Schwierigkeitsgrad und der Anstrengung für die Schwimmenden bewertet. Sie müssen zunächst eine stabile Basis bilden, um ein oder mehrere Teammitglieder anzuheben, damit diese dynamische Bewegungen ausführen können.
Die Teams müssen insgesamt sieben akrobatische Bewegungen ausführen, die jeweils mindestens einer der oben genannten Gruppen entsprechen. Die Akrobatik, früher als "Highlight" bekannt, ist eine relativ neue Disziplin im Synchronschwimmen und feierte ihr Debüt bei den Weltmeisterschaften 2019.
Fünf Jahre später, können sich die Fans auf den spannenden neuen Mannschaftswettbewerb freuen, welcher zum ersten Mal Teil der Olympischen Spielen sein wird. Seien Sie dabei, wenn olympische Geschichte geschrieben wird!